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Betörend wie der Duft der Lilien

Betörend wie der Duft der Lilien

Titel: Betörend wie der Duft der Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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Ellbogen an die Wand geprallt. Mit pochendem Arm und angehaltenem Atem eilte sie die schmale Hintertreppe hinunter. Sobald sie draußen war, zog sie sich die Kapuze über.
    Selbst der Schmerz konnte ihre nagenden Zweifel nicht ganz übertünchen.
    „Was tue ich hier bloß?“, murmelte sie, während sie den Garten durchquerte. Im Wind zittern. Durch die Nacht schleichen, um sich mit Cameron zu treffen wie …
    Wie Clio und ihr mysteriöser Besucher.
    Das passte so gar nicht zu ihr: alle Vorsicht fahren lassen für ein heimliches Rendezvous mit einen Mann … Nun, vielleicht doch. Sie war eben nicht mehr die alte, vernünftige Calliope. Nicht, seit sie hier war und die Magie dieses Ortes von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie wollte ihn sehen, ihm nahe sein. Kein Wunder, dass Thalia alles Wilde so liebte: Es fühlte sich großartig an.
    Sie war früh dran. Cameron war nirgends zu sehen, und sie war allein mit den mittelalterlichen Gespenstern und dem merkwürdigen Steinhaufen mit der verschütteten Treppe.
    Calliope driftete darauf zu wie auf einen Anker auf hoher See. Sie wunderte sich, dass die Steine nicht längst abgetragen und für eine Mauer oder ein Häuschen verwendet worden waren. Vielleicht traute sich niemand – vielleicht lag ein Schutzzauber darauf.
    Um ihre Nervosität zu bekämpfen, nahm sie das Ensemble näher in Augenschein. Irgendetwas war anders als beim letzten Mal, einige Steine schienen verschoben worden zu sein.
    Da Cameron sich noch nicht blicken ließ, beugte sie sich über die niedrige Mauer, um die flache, eingeebnete Kuhle dahinter unter die Lupe zu nehmen. Selbst im schwachen Silberschein des Mondes war zu erkennen, dass die Kuhle keineswegs mehr so flach war wie neulich. Die Schatten reichten tief hinab, wie in einen Gang. Sie musste an ihren seltsamen Traum denken.
    Calliope saugte die kalte, dumpfige Luft ein. Irgendjemand hatte hier Erde beiseitegeschafft und eine alte Falltür geöffnet. Clio und ihr Besucher? Aber wozu? In den Gärten von Kenleigh Abbey tat sich wirklich allerhand …
    Vorsichtig machte sie einen Schritt in die Grube. Der feuchte Boden unter ihren Halbschuhen gab ein wenig nach, schien sie aber zu tragen. Mit angehaltenem Atem drang sie noch ein paar Schritte tiefer ins Dunkel ein.
    „Ach, da stecken Sie, Miss Chase! Drücken Sie sich vor unserer Verabredung?“
    Vor Schreck verlor Calliope das Gleichgewicht. Sie landete auf dem Gesäß und rutschte noch eine Stufe tiefer. „Um Himmels willen, Cameron! Mir bleibt fast das Herz stehen!“
    „Tut mir leid, Calliope. Ich dachte, Sie würden mit mir rechnen.“ Er tastete sich zu ihr herab; die Kiesel, die seine Stiefel dabei lostraten, fielen rasselnd in den Schacht. „Sind Sie verletzt?“
    „Nur meine Würde“, murmelte sie und ergriff seine Hand. Sie waren ungefähr auf Augenhöhe mit dem oberen Ende der Treppe und mussten auf der schmalen Stufe dicht nebeneinanderstehen. Calliope drängte sich an ihn, um nicht wie in ihrem Traum in eine bodenlose Tiefe zu stürzen.
    „Keine blauen Flecken?“, fragte er leise.
    „Noch nicht.“
    „Ich meine mich zu erinnern, dass wir an der versenkten Gartenmauer verabredet waren und nicht in einem Hünengrab.“
    „Ein Grab?!“ Auf die Idee war sie nicht gekommen. Stand sie etwa auf Knochen?
    „Das war nicht ernst gemeint. Aber irgendwohin müssen diese Stufen ja führen. Die Treppe ist ziemlich lang.“
    „Merkwürdigerweise. Als meine Schwestern und ich kürzlich hier waren, lagen nur die ersten beiden Stufen frei.“
    „Hm, offenbar war die Treppe zugeschüttet worden.“
    „Und wer hat sie jetzt freigelegt? Und warum?“
    „Wenn ich das wüsste, meine liebe Calliope, dann hätten wir vielleicht die Antwort auf all unsere Fragen. Andererseits hätten wir dann keinen Grund mehr, uns heimlich zu treffen!“ Er drückte ihr die Hand und führte sie zurück an die frische Luft. „Wir sollten uns das bei Tageslicht genauer ansehen.“
    Calliope klammere sich an seine Hand, bis seine Wärme und Stärke alle Gespenster vertrieben hatte und sie wieder ganz allein in der Dunkelheit standen. Als er ihr einen Arm um die Taille legte und sie näher an sich zog, stieg in ihr eine pulsierende, berauschende Erregung auf, fast wie ein Lebewesen in ihrer Brust. Sie wollte nie mehr ohne dieses lebendige Gefühl sein, ohne diesen zarten, zerbrechlichen Zauber.
    Sie lächelte und legte ihm die Arme um den Nacken, um ihn in ihrer Nähe zu halten. Sein langes, lockiges Haar lag seidig

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