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Betongold

Betongold

Titel: Betongold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Westerhoff
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Main. Dort, wo sonst Schiffe fuhren, schwammen Eisschollen. Der Schiffsverkehr war komplett eingestellt worden. Er musste höllisch aufpassen, der Radweg war an einigen Stellen spiegelglatt. Die Kälte wurde unerträglich. Der Fahrtwind ließ den Atem hinter dem Tuch gefrieren. Lange halte ich das nicht aus, dachte er. In einer Bucht hatte ein blau-weißer Frachter mit dem Namen Katharos festgemacht; es schien so, als ob er sich vor der Kälte duckend in Sicherheit gebracht hatte.
    Es war nur ein Moment der Unachtsamkeit. In einer leichten Kurve rutschte er mit dem Vorderreifen weg. Bei dem Versuch sich noch abzustützen, verhakte sich sein Fuß zwischen den Pedalen. Er überschlug sich, knallte auf den gefrorenen Teerboden, schrie laut auf, rutschte weiter gefährlich in Richtung Mainböschung. Ein Strauch an der Böschung stoppte ihn. Sekunden, die ihm jedoch wie Minuten vorkamen, lag er unbeweglich am Ufer. Mühsam raffte er sich auf und sondierte seinen Körper. Die Radlerhose war aufgerissen, eine Schürfwunde leuchtete rot am Knöchel. Die rechte Schulter tat ihm weh, aber offensichtlich hatte er sich nichts gebrochen.
    Ein anderer Radfahrer hielt an und fragte, ob er helfen könne. Paul verneinte. Das Rad war noch intakt, wenn auch völlig verdreckt und am Sattel aufgerissen. Er schob das Rad die Böschung hinauf und machte sich auf den langen und kalten Weg nach Hause. In seiner Verkleidung und derartig zugerichtet bot er ein noch skurrileres Bild für die Passanten. Als er zuhause ankam, bemerkte er, dass er seinen Schlüssel verloren hatte, den er in seiner rechten Socke verstaut hatte. Der Vorhang in der Probst Wohnung bewegte sich, als er klingelte und nach einigen Sekunden meldete sich Tobi:

    Â»Ja bitte?«
    Â»Ich bin es, mach bitte auf.«
    Â»Hast du keinen Schlüssel?«
    Â»Würde ich sonst klingeln?«
    Der Türöffner summte, Paul stellte das Rad vor dem Keller ab und schleppte sich nach oben. »Was hast du denn gemacht?«, wunderte sich Tobi, doch Paul antwortete nicht, schlug die Haustür hinter sich zu und verschwand wortlos im Bad.
    Nach einer Stunde in der Badewanne fühlte er sich etwas besser. Er hatte seine Wunden gepflegt und sah wieder halbwegs wie ein normaler Mensch aus. Sein Knie schmerzte, er nahm eine Tablette und legte sich auf die Couch.
    Er berichtete Tobi von seinem Sturz und gab ihm den Auftrag nach dem Schlüssel zu suchen. Tobi rief Taylor an und machte sich nach einer genauen Erklärung des Unfallortes auf den Weg. Kurze Zeit später schlief er auf der Couch ein. Als er aufwachte, war es drei Uhr nachmittags.
    Den Rest des Tages lümmelte er sich auf der Couch, aß zwischendurch etwas und schlief immer wieder ein. Tobi kam um sieben vom Fußballspiel, sie hatten 2:0 gewonnen im Lokalderby gegen den FSV. Und er hatte den Schlüssel gefunden. Na wenigstens ein positives Ereignis an diesem Tag, dachte Paul und raffte sich auf, um etwas fürs Wochenende einzukaufen.
    Er humpelte zum Supermarkt und kaufte Kartoffeln und Hackfleisch, eine Tüte Tiefkühlgemüse und einige Sachen fürs Frühstück. Sonntags nahm er sich die Zeit, ausgiebig mit Tobi zu frühstücken. Vor dem Weinregal überlegte er kurz, ob er noch eine Flasche mitnehmen sollte, entschied sich aber in Erinnerung an den vorherigen Abend dagegen. In der Apotheke an der Bockenheimer Landstraße kaufte er eine Flasche Nasenspray, das war schon zur Gewohnheit geworden, damit er nachts überhaupt Luft bekam. Endlich hatte auch die Apothekerin eingesehen, dass der ständige Hinweis auf die Möglichkeit davon abhängig zu werden bei ihm nicht auf Verständnis traf; er schaute sie nur wissend an und sie machte seit einigen Wochen auch keine Anstalten mehr, ihn zu belehren.
    Er machte Buletten und Bratkartoffeln, dazu das Tiefkühlgemüse. Sie aßen auf der Couch und schauten einen Western. Noch vor dem aktuellen Sportstudio ging er ins Bett und schlief wie ein Murmeltier.

Sonntag
    Â»Taylor hat einen Roller bekommen.« Sie aßen am Frühstückstisch, es gab Rührei mit frischen Brötchen aus der Bäckerei an der Ecke und er war gerade dabei sich das Rühreibrötchen in den Mund zu schieben. Er wusste, was das zu bedeuten hatte. Schon längere Zeit hatte ihm Tobi mit dem Wunsch nach einem Roller in den Ohren gelegen. In ein paar Monaten wurde er 15 und irgendwie war Paul auch

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