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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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kümmerst, um ihn, den kleinen Drachenkaiser, ganz besonders. Immer, überall, auch außerhalb deiner Arbeitszeit. Welche Arbeitszeit überhaupt?
    »Weißt du was, Ludolf? Wenn ich wirklich so mies bin, ist es ja gut, dass ich kündige. Musst mich nie wiedersehen.«
    Jetzt weiß er Bescheid. Und teilt mir auf seine unnachahmliche Art sein Bedauern mit: »Du mich auch nicht. Ciao.«
    Scheiße, wie biege ich das jetzt wieder hin?
    Kombinieren, Inspektor Kindermann, kombinieren. Auf der Baustelle wir jede Hand gebraucht. Wenn ich meine alten und neuen Freunde anflehe, bei der Arbeit nicht zu rauchen, könnte ich Ludi zu einem Subbotnik herbestellen. So kann er mit meinen Freunden rumhängen und nebenbei lernen, wie seine Zukunft aussehen wird, wenn er in der Schule weiterhin nicht aufpasst. Darf sich ein Sechzehnjähriger tagsüber in einer temporären Nichtraucherkneipe aufhalten? Ich weiß es nicht, da ich die mieseste Sozialarbeiterin der Welt bin. Zum Glück verlangt es hier gerade nach anderen Qualitäten, als sich ein Stück weit abzugrenzen.
    Hier heißt es: Schaufel packen und sich in die Arbeit stürzen. Beziehungsweise: Durch die Massen einen Tunnel zur eigentlichen Arbeit hinschaufeln. Denn mittlerweile haben sich fast sämtliche Stammgäste eingefunden sowie flüchtige Bekannte und deren Anhang. Und deren Freunde. Ich erkenne Leute wieder, die ich nie näher kennenlernen wollte. Zwei One-Night-Stands, die ich so erfolgreich verdrängt hatte, dass ich sie bis eben für Produkte meiner armseligen Fantasie gehalten habe. Den einen der beiden identifiziere ich nur anhand seines Geruchs. Ich stecke unter seiner Achsel fest. »Hey Doris, lang nicht gesehen …«, erkennt mich jetzt auch Old Spice. Wahrscheinlich erinnert ihn mein Ächzen an unsere gemeinsame Nacht. Ich muss da durch. Aber es sind zu viele. Sie blockieren die Eingangstür, den Vorraum, und trampeln auf den Brettern herum, die zum Bühnenbau benötigt werden. Schon höre ich das Splittern von Holz und die Rufe der Geier: »Ey, wenn hiervon was übrigbleibt, kann ich das haben? Ich wollte schon immer eine Skateboard-Rampe bauen.«
    Den Geräuschen im Inneren des Ladens nach zu urteilen sind einige mit Kickern beschäftigt, andere mit Vandalismus.
    Einen Flashmob zu organisieren scheint ein Kinderspiel zu sein, ihn umzuleiten, das ist eine Aufgabe für Profis. Warum ballert niemand mit der Schrotflinte in die Luft, und ruft: »Goldfund am Bärenfluss!«?
    Das ist immer ein todsicheres Mittel, um den Saloon binnen Sekunden zu leeren. Gut, dass noch einer so denkt wie ich.
    »Freibier im Hinterhof!«, schallt es aus der Küche. Sheriff Vladimir ist aus den OBI -Steinbrüchen zurückgekehrt und hat die Lage sofort richtig eingeschätzt. Ich flutsche aus der Armbeuge meines Lebensabschnittchensgefährten, der mit den anderen Glücksrittern zum Hinterausgang prescht.
    Nur die Alten, Frauen und Schwachsinnigen bleiben zurück. Wobei es da durchaus Schnittmengen gibt.
    »Vladimir, es wäre echt cool, wenn du solche Aktionen in Zukunft mit uns absprechen könntest.«
    Das habe ich nicht gesagt. Und Sarah war es auch nicht. Wer hat hier noch eine Sozialarbeiterin versteckt? Es war definitiv eine weibliche Stimme, es war – Katja: »Ich meine, das ganze Bier, das wir jetzt raushauen, damit die nicht arbeiten. Das ist doch Verschwendung.«
    Immerhin hat sie den Mumm, Vladimir das direkt ins Gesicht zu sagen. Hätte ich nie. Nicht in das Gesicht. Es ist nicht böse, aber so angespannt, dass es mir in den Wangen wehtut, wenn ich nur hingucke. Vladimirs Hände zittern. Ich glaube, er ist ganz kurz davor, auszubrechen. Mehr als drei Sätze am Stück zu sagen und sehr recht zu haben. Sieht Katja das nicht, oder warum weicht sie nicht aus?
    »Ach, komm runter, Katja. Es war nur das eklige Bier, das der Brauerei-Vertreter dagelassen hat.«
    Danke, Chefin. Danke. Es brauchte diesen völlig unparteiischen Gleichmut, hervorgebracht mit dieser beruhigenden, geradezu einschläfernden Stimme, um das System zu retten. Natürlich hilft es, wenn man noch minderwertige Ware auf Halde hat, die sonst verklappt worden wäre.
    »Tja, dann ans Werk«, beschließt Linda. Toddy stimmt ihr nicht zu. Er ist mit den Trappern geflüchtet. Miriam und Kichermonster fehlen ebenfalls, aber die hatten sowieso unzweckmäßige Schuhe an.
    Genug Platz, um richtig loszulegen.
    Wir kommen sehr gut voran. Linda ist sehr emsig dabei, die alten Pissoirs zu pulverisieren, sie wird eins mit dem Hammer.

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