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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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kratzt über den Totenschädel, der auf ihrem Kopf eintätowiert ist: »Nun ja, Agnes, da hat er leider schon ein Stück weit recht mit, fürchte ich.«
    Ich muss nicht fürchten, ich muss meinen Lachreflex unterdrücken: Das Mädchen mit dem Vierfarb-Irokesen heißt Agnes? Wie mag Totenkopf-Kopf heißen? Elfriede? Es gibt einen einfachen Weg, um das rauszufinden: »Hi, ich bin Doki«, strecke ich ihr die Hand entgegen.
    »Weiß ich, wir haben zusammen studiert.«
    Warum überrascht mich das nicht wirklich? Wer sonst außer einer Kollegin würde behaupten, dass Vladimir »ein Stück weit« recht gehabt haben könnte? Ihren Namen kann ich trotzdem nicht abrufen.
    Sie hilft mir: »Ich habe nach drei Semestern abgebrochen, und noch mal umgesattelt. Klingelt’s? Ich bin’s, Sarah.«
    Hey, Mensch, die Sarah. Sarah Dingenskirchen. Ich habe immer noch keinen Schimmer: »Mensch, Sarah, alte Hütte, was machst du denn jetzt so?«
    Außer auf Stromkästen rumhängen, Leergut einsammeln und Raffi anhimmeln, denke ich mir im Stillen. Sarah grinst verschämt. »Na ja, ich habe gerade ein bisschen Leerlauf. Im August fange ich dann mein Referendariat an, bei der Staatsanwaltschaft.«
    »Ich kenne dich auch – von hier halt«, erklärt Agnes, dankenswerterweise ohne dabei zu erläutern, dass sie für die NASA tätig ist: »Du bist die Freundin von dem neuen Typen, dem Architekten, oder?«
    Der neue Typ, soso. Der Herr Architekt nebst Gattin, die auch ein wenig dazuverdient, wenn ihr danach ist. Bevor ich von meinem geplanten Jodel-Diplom berichten kann, stellen sich die anderen gegenseitig vor. Kichermonster ist angehende Ärztin. Ist bestimmt hilfreich, wenn sich jemand bei den folgenden Bauarbeiten verletzen sollte. Könnte ja sein, dass irgendeine Totalversagerin mit dem Kopf gegen die neue Mauer schlägt. Immer und immer wieder.
    Es hupt. Vielstimmig. Ein Konvoi, angeführt von dem Stararchitekten in Katjas altem Benz, hält auf der anderen Straßenseite. Ihm folgen ein Kastenwagen, ein Bulli und eine Rikscha.
    »Vorsicht mir den Felgen, Spasti«, brüllt Agnes dem VW -Fahrer zu, der ganz offensichtlich ihr Freund ist. Sie tragen korrespondierende Zungenpiercings, wie der Angemahnte uns sehr eindrucksvoll demonstriert. Agnes grummelt: »Der kann sich warm anziehen, wenn der nach Hause kommt.«
    Katjas Augen blitzen. Sie will Agnes adoptieren, ihre Mentorin werden, und wenn alles nach Plan läuft, werden sie nach ihrem Ableben in einer Doppel-Pyramide bestattet. Komm runter Doris, wieder kein Grund, eifersüchtig zu werden. Noch bist du die Frau des Häuptlings.
    Die Männer entsteigen ihren Gefährten, stellen sich breitbeinig davor, diskutieren gestenreich und parken schließlich um.
    »Linda, trägt Toddy einen Kilt?«, will ich wissen, aber Linda ist beschäftigt. Zusammen mit Marie stellt sie einen Sonnenschirm an der Straßenecke auf.
    Gartenstühle gibt es gar nicht, aber Bierkisten. Wir nehmen unsere Plätze ein. Lasst die Spiele beginnen.
    Erstaunlich schnell haben sich unsere Männer mit ihrer Gladiatorenrolle abgefunden. Erhobenen Hauptes schieben sie eine Schubkarre nach der anderen an uns vorbei, unser Klatschen und Pfeifen ignorieren sie zunächst. Nur Toddy lässt sich zu einer Reaktion hinreißen – am helllichten Nachmittag zeigt er uns den Vollmond, wir buhen ihn aus. Ich vermag nicht zu sagen, wer das Sprechverbot angeordnet hat, aber sie ziehen es durch. Selbst Holger erliegt nicht einem Lächeln von Marie. Stoisch steht er vor dem Betonmischer, in fabrikneuen Camouflage-Shorts, Pelzmütze und alten Reitstiefeln von Raffis Vater.
    »Agnes, darüber macht man keine Scherze«, rügt Sarah ihre Freundin, wiederholt aber den geflüsterten Kommentar, und wir sind uns einig: Politisch korrekt hin oder her, Holger sieht ohne Brille aus wie der junge Mussolini beim Schulfest. Auf unser Kreischen hin knickt ausgerechnet Gunnar ein: »Ja, lacht ihr nur, ihr Hühner. Wenn wir hier fertig sind, gehen wir alle in den Puff, jawoll!«
    Die Jungs stimmen ein Wolfsgeheul an, wir können nur lachen: »Wenn ihr fertig seid, könnt ihr nicht mal den kleinen Finger heben, geschweige denn irgend etwas anderes!«
    »Ihr findet doch noch nicht mal den Weg dorthin!«
    »Ach, in drei Stunden haben die sich doch selber auf dem Scheißhaus eingemauert.«
    Genau Schwester, und ich kann noch einen draufsetzen: »Glaub mal nicht, dass irgendeine Nutte dir heute Abend noch ein veganes Steak mit jungen Möhrchen brät, Gunnar!«
    Doris

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