Betreutes Trinken
Kindermann, immer bereit, die Vermittlerin zu geben, wenn die Fronten verhärtet scheinen. Meine Mädels fallen fast von ihren Bierkisten, der Herr Architekt versaut mein frischgewaschenes T-Shirt mit seinen Schmierfingern: »Danke, mein Frauchen, so bringt man einen Mann auf den Pfad der Tugend zurück.«
Die Teilnehmerinnen des Kaffeekränzchens werden von ihren jeweiligen Gefährten wieder auf die Kisten gehoben, Speichel und Staub ausgetauscht. Fehlt nur noch der Sparfuchs von dem schwäbischen Kreditinstitut, der in die Kamera zwinkert und sagt: »Bausparen bringt’s! Heiße Zinsangebote für coole Leute!«
Babsi kichert sich scheckig, als Felix sie umarmt: »Ich will Pommes«, gesteht er ihr verliebten Blickes, und sie zeigt Kehle. Wiedervereinigung läuft immer ganz anders als man denkt. Nur Katja blickt sich suchend nach der anderen Singlefrau um, die ihr beim Grimassenschneiden helfen soll. Doch Marie ist rechtzeitig in die Kneipe verschwunden, wahrscheinlich, um eventuellen Annährungsversuchen Holgers auszuweichen.
»Wo steckt eigentlich der Bauleiter Vladimir?«, frage ich Gunnar, der sofort damit aufhört, mir Dreck ins Gesicht zu wischen: »Noch im Baumarkt. Konnte sich noch nicht für die Fliesen entscheiden. Ich glaube, er schwankt zwischen Taubenblau und Salbei.«
Selbst in Abwesenheit kann der große Komiker für allgemeine Erheiterung sorgen. Die Vorstellung, wie Vladimir in der Abteilung für sanitäre Dekorationen hockt und sich mit dem Farbmuster-Katalog den Schweiß von den Brauen wischt, ist einfach zu köstlich.
»Kann überhaupt jemand Fliesen legen? So richtig, meine ich?«
Eine unerwartet gute Frage von Felix, die allerdings nicht davon ablenken kann, dass er schon wieder ein Bier in der Hand hält.
»Ich kann das«, meldet sich Agnes. Was man nicht alles bei der NASA lernt.
»Prima, dann können Spasti und ich ja solange die Bühne bauen. Läuft doch«, freut sich Gunnar über die Einhaltung des Bauplans.
Mein Handy klingelt, ich gehe dran, ohne zuvor auf das Display zu schauen.
»Doki, wo bist denn du? Ich stehe vorm Anker, und drinnen hüpfen nur Kira und so ein alter Clown herum, die mich zu einem Poetry Slam zwingen wollen. Hilf mir!«
Ludolf Schwenke-Großmann übertreibt wieder maßlos. Um ihn muss ich mir also keine Sorgen machen. Ich wandere mit dem Telefon zur Straßenecke, damit ich den kleinen Schlawiner besser verstehen kann. Und vor allem: er mich: »Aber das klingt doch lustig, Ludi. Da steht man auf der Bühne und muss seinen Text noch nicht mal auswendig kennen. Trotzdem lachen die Leute.«
So war es zumindest bei dem Poetry Slam, den ich besucht habe. In zwei Fällen habe ich sogar über den Text gelacht, nicht über den Vortragenden. Fremdschämen kann man bei solcherlei Veranstaltungen auch gut trainieren, aber es gab echte Highlights. Der letzte Text war besonders komisch, obwohl ich keine Ahnung mehr habe, worum es darin ging. Ich musste meine Körpertemperatur während des Schämens mit Bier runterkühlen. Ein Poetry Slam im Anker könnte also peinlich werden, vielleicht sollte ich Ludi einen Tipp geben: »Probier’s doch mal, Ludi. Etwas Neues zu wagen ist immer gut. Musst ja nicht so einen Seelenstriptease bringen, mach am Besten etwas über ein Thema, das dich beschäftigt. Aber trotzdem lustig ist. Vielleicht was mit Tieren?«
Ludi klingt genau wie Gunnar, wenn er ins Telefon schweigt.
Er ist offenbar kein großer Tierfreund, nun denn, muss ich ihm wohl etwas anderes anbieten, während ich mit halbem Auge dabei zusehe, wie der gemischte Bautrupp riesige Bretter durch die Kneipentür trägt. Zum Glück bin ich Multitaskerin: »Oder schreib was Politisches. Satire. Ich habe gehört, ein paar von diesen Poetry-Slam-Leuten kommen später ganz groß raus, die werden sogar richtige Kabarettisten.«
Ich sehe Ludi direkt vor mir wie er den Bundeswirtschaftsminister parodiert. Das wird bestimmt noch unterhaltsamer als Toddys neuer Running Gag, den er gerade eifrig probt: »Mann stolpert über Werkzeugkiste.« Schade, dass Ludi das nicht mit ansehen kann.
»Oh, leck mich, Doki. Ich mache da nicht mit. Hast du Raffi mal wegen Kickern gefragt? Bestimmt nicht, oder?«
»Nein«, grunze ich, und Ludi gerät richtig in Fahrt:« »Weißte was, Doki, du bist die mieseste Sozialarbeiterin der Welt, du kümmerst dich nur um dich, und …«
Jetzt sag ihm bloß nicht, dass Raffi im Krankenhaus ist. Sag ihm auf gar keinen Fall, dass du dich sehr wohl um andere
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