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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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kaputt, die Kneipe so gut wie. Ich hasse ihn.
    Das werde ich ihm jetzt sagen, gut, dass er anruft: »Ich, ich, ich …« – heule.
    »Was ist los mit dir, dir, dir?« Originell war der Kerl auch nie. Aber das kann ich ihm nicht sagen, weil meine Kehle wie zugeschnürt ist. Gunnar sieht das natürlich als Aufforderung an, weiterzureden: »Ich bin jedenfalls auf dem Weg zu euch. Musste nur auflegen eben, weil die Bullen mir entgegenkamen. Mit wem hast du gerade telefoniert?«
    Wieso ich? Egal, findet Gunnar: »Also Schnuckiputz, ich fahre direkt vom Baumarkt aus ins ›Dead Horst‹.«
    »Danke«, haucht eine Stimme aus mir heraus, die leicht schwindsüchtig und völlig verblödet klingt.
    »Oh bitte, wir Männer tanzen doch, wenn ihr pfeift. Aber was ich dich fragen wollte, ist: Kann ich noch bei dir pennen, oder wirst du so zur Streikbrecherin?«
    Die Bullen. Streikbrecherin. Bei mir pennen. Hoffentlich ist Gunnar auf der richtigen Autobahn und im richtigen Jahrzehnt unterwegs, sonst landet er noch in Wackersdorf.
    »Klar kannst du bei mir … übernachten nach der Arbeit, selbstverständlich«, säusele ich in die Sprechmuschel. Es soll verführerisch anmuten oder zumindest versöhnlich.
    »Super, dann bis später. Koch mir was Schönes, ein Steak mit Steak würde mir schmecken. Tschüss.«
    »Mach ich. Tschüss.«
    Jetzt aber schnell in die Schürze gesprungen und ran ans Werk. Ob ich es noch schaffe, ein paar niedliche Racker auszuleihen, bevor ich mich frischmache für den Fototermin für die CSU -Wahlplakate?
    Unfug. Gunnar erwartet kein Steak, er ist immer noch Vegetarier. Und Nichtraucher. Wirft sein Handy auf den Beifahrersitz, wenn er in der Ferne ein Blaulicht funkeln sieht. Am Ende ist er gar nicht qualifiziert für das Projekt »Männer zurück in Männerberufe«.
    Ich bin wirklich gespannt, wer da auftaucht. Falls es über Nacht keine Verfassungsänderung gab, ist Holger immer noch Beamter, aber wenn Marie persönlich mit ihm spricht, wird er das ein weiteres Mal ignorieren. Albert halte ich für den Wackelkandidaten. Es sind immer die, die sich ihre Arbeit so frei einteilen können, dass sie bei aller Einteilung die Arbeit vergessen. Olaf kann bestimmt nicht widerstehen. Männertage im »Dead Horst«, nackte Oberkörper und Schweißperlen unter Jockey-Helmen, welch einmalige Gelegenheit.
    Das hört sich nach Spaß an, ich will mitmachen.
    Es ist nicht einfach, mit der Gleichberechtigung, nicht mal, wenn man es ganz allein für sich übt. Da hilft nur sinnvolle, geschlechtsunspezifische Beschäftigung. Die Ellenbogen in Aceton tauchen ist ein Anfang. Zur Nachbarwohnung gehen und feststellen, wie gerne man einen Hund hätte. Der könnte die Katze fressen. Sich zu überlegen, dass man seine Chefin jetzt anrufen könnte, um mal zu klären, was jetzt überhaupt los ist. Nein, da lasse ich der guten Margret doch lieber noch ein bisschen Zeit.
    Als ich bemerke, dass ich zum Radio bei Thin Lizzys The Boys are Back in Town mitschmettere, sehe ich das als untrügliches kosmisches Zeichen an: Das sollte ich besser kontrollieren, bevor ich es durch die Nachbarschaft gröle.
    Nach einer kurzen Fahrt auf Frau Nachbars Öko-Chopper muss ich feststellen: Ich bin von Verräterinnen umgeben. Der harte Kern unserer gestern gegründeten Ortsgruppe der Ya-Ya-Schwestern ist komplett angetreten und er hat sich mit Fruchtfleisch umgeben: Neben Katja, Marie und Linda sehe ich Miriam, Britta, die kleinen Punk-Mädels vom Stromkasten und sogar Kichermonster vor der Tür des »Dead Horst« versammelt.
    »Wir gucken nur«, rechtfertigt meine beste Freundin ihre Anwesenheit, als ich den Beach-Cruiser an der Straßenlaterne anleine.
    »Etwas Gebäck, Doki?«, bietet Miriam mir von einem Papiertablett Schwarzwälder Kirschtorte an. Ich lehne dankend ab.
    »Kaffee läuft durch«, versichert Marie, »und wenn sich das Wetter hält, können wir die Gartenmöbel aufbauen.« Noch nie habe ich jemanden gehört, der so grimmig die Sommersaison ankündigt. Das kann nur eines bedeuten:
    »Lasst mich raten: Es gibt noch nichts zu gucken.«
    Die Mädels starten eine recht eindrucksvolle La-Ola-Variation für Bewegungsmuffel: Eine nach der anderen rollt mit den Augen, das kleinere der Punkerienchen beißt auf ihr Lippen-Piercing: »Kennst doch Vladimir, die alte Primadonna: Hat einen Mordszauber veranstaltet, von wegen, wie man so blöd sein kann, eine Mauer abzureißen, ohne vorher Steine für eine neue organisiert zu haben.«
    Ihre Freundin

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