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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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sitzt der Typ da, mit Vladimirs Gitarre im Arm, dreht sie herum, hin und her, und fragt schließlich: »Das ist ein Nachbau, oder?«
    Mit welcher Antwort habe ich eine Chance?
    »Ja klar«, sage ich schließlich, in der Hoffnung, dass Gunnars Interesse an dem Instrument nach dieser Information nachlässt. Er soll die Gitarre weglegen. Er hätte gar nicht den Koffer öffnen sollen. So etwas tut man nicht ohne zu fragen. Endlich lässt Gunnar von Vladimirs Schatz ab, schüttelt den Kopf und lacht: »Ja klar, sicher, was habe ich mir gedacht? Wenn das ein Original wäre, hättest du ja ausgesorgt. Und würdest nicht in diesem Siff hausen, nicht wahr?«
    Jetzt haben wir aber tüchtig Frauenprobleme. Da hockt der Kerl, der seit drei Tagen in derselben Jeans herumläuft, auf meinem Bett, in meiner Wohnung, und trinkt gleich meinen Kaffee. Aber natürlich beschwert er sich schon wieder über meine Haushaltsführung, piesackt mich wegen meiner Arbeit, während er sich ein paar Wochen Pause vom Rumhängen mit Rockbands gönnt. Jetzt hält er mir auch noch auffordernd die Gitarre entgegen: »Hier, spiel mal was! Ich finde es ja super, dass deine Liebe zur Musik endlich erwidert wird, haha.«
    Hahaha.
    Jetzt die Situation nicht eskalieren lassen, Doris Kindermann. Du liebst diesen Mann, grundsätzlich, auch wenn er gerade deine wunden Punkte als Tanzteppich nutzt, um darauf herumzutrampeln. Es ist gar nicht seine Schuld. Du bist ein einziger wunder Punkt und brauchst deswegen Abstand.
    »Magst du vielleicht mal eine Runde um den Block gehen?«
    Ich bin so erwachsen. Gunnar leider nicht: »Oh, spielst du so schlecht, Doris?«
    Wo er schon aufsteht, um mir meinen Gesichtsausdruck wegzuknutschen, kann er auch gleich … »Kannst du dich mal verpissen, bitte? Im Ernst.«
    Er wird ernst: »Schmeißt du mich raus?«
    »Nein. Ja. Ach, ich weiß es nicht.«
    Hätte ich mir aber vorher überlegen sollen. Jetzt kommt nämlich Gunnar mit Frauenproblemen: »Ey Doris, du bist echt unglaublich. Du heulst mich am Telefon zu, wenn ich mal einen Tag verschwinde, aber wenn ich da bin, flippst du aus. Du kannst keine Kritik vertragen und Spaß auch nicht.«
    Er ist aufgestanden, in sein T-Shirt geschlüpft und bindet sich nun die Schuhe zu. Jetzt will er abhauen, wo ich doch gerne mit ihm diskutieren möchte: »Deine Späße sind nun mal nicht lustig, Gunnar …«
    Ups, er war noch gar nicht fertig mit seinem Monolog: »Nein, was lustig ist, bestimmt ja Frau Kindermann. Die findet es ja nur spaßig, wenn ich mich in ihrer Scheißkneipe abrackere, ohne Sinn und Verstand, Hauptsache, am Ende des Tages sind alle besoffen, und du kannst dir wieder einbilden, die Gute zu sein – genau wie früher …«
    »Raus!«
    »Gern.«
    Okay, wir kennen die Szene. Mann packt wütend seine Habseligkeiten zusammen, Frau raucht, Mann steht an der Tür, will noch etwas sagen. Aber die Frau schnaubt vorsorglich, um ihn mundtot zu machen, Mann schnaubt ebenfalls, Tür knallt. Bis in elf Jahren.
    Frau wirft sich aufs Bett, weint bitterlich.
    Nein, so blöd ist sie dann auch nicht. Sie reißt die Tür wieder auf und brüllt dem Mann hinterher: »Gunnar, weißt du was? Du …du …«
    Gut, ich kann aufhören mit Brüllen. Gunnar steht ja noch direkt vor meiner Nase. Und muss sich ein Grinsen verkneifen: »Was ist mit mir? Mir? Mir?«
    Spring über deinen Schatten, Doris. Du kannst es. Sonst bleibst du für immer in dieser Schleife hängen. Tu es. »Du könntest die Katze meiner Nachbarin füttern. Weil ich jetzt auch los muss. Zur Arbeit.«
    Er küsst mich: »Das kann ich machen.«
    Er küsst mich, als könnte er noch ganz andere Dinge tun. Ich sollte jetzt völlig andere Dinge tun: »Lass uns später reden, okay?«
    »Sehr okay. Und es tut mir leid, was ich eben gesagt habe. Ich mag deine Scheißkneipe.«
    »Ist ja gar nicht meine.«
    »Gott sei Dank.«
    Ich muss wirklich los. Dieses Treppenhaus wirkt zunehmend erotisierend auf mich. Mag an dem Kontrast zu meiner Wohnung liegen. Ich sollte da was unternehmen. Später.
    »Ich bin dann weg. Der Schlüssel von der Nachbarin liegt irgendwo in der Küche. Und nimm den Baseballhandschuh mit. Die Katze ist etwas unberechenbar.«
    Jetzt aber los, bevor er es sich anders überlegt. Ich erwische die Bahn. Es ist sogar die richtige. Lächle meine Mitfahrer triumphierend an, sie lächeln zurück. Als ob sie alle wüssten, dass ich ab heute auf der Gewinnerseite stehe. Schon im privaten Bereich bin ich heute früh ganz bewusst an

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