Betreutes Trinken
Agnes kann wirklich Fliesen legen, Holz ist das Element von Sebastian, wie sich Spasti gern von neuen Freunden nennen lässt. Wir bauen eine schöne neue Bühne. Muss nur noch eine Art Boden drauf verlegt werden. Vladimir notiert es auf der Einkaufsliste, direkt unter: Kabeltrommel, Leuchtmittel, neue Toiletten und Pissoirs.
Wir müssen dringend Geld verdienen.
Als Gunnar vorschlägt, eine verstärkte Rigipswand zu ziehen, statt eine Mauer zu bauen, fällt uns endlich auf, dass wir Holger ausgesperrt haben. Ein verwaister Betonmischer vor der Tür spricht für Gunnars Plan, schweigend schnappt Vladimir sich die Autoschlüssel, um noch einmal zum Baumarkt zu fahren.
Er kehrt nicht zurück.
Aber er hat sein Gesicht zurückgelassen, das Katja nun anprobiert. Sie hält es für zehn Sekunden durch, dann beginnt sie, aus dem restlichen Zebrastoff einen Vorhang zu fertigen, den sie als Provisorium vor den Pissoirs aufhängen lässt. Es sieht furchtbar aus: Karneval in der Safari-Lounge.
Um Punkt acht Uhr steht Albert auf der Matte. »Hey, ich komme grad aus dem Hinterhof und wollte nur sagen: Das Freibier ist alle.«
Katja fletscht die Zähne: »Genau. Alle reinkommen.«
Der Rückruf funktioniert nicht ganz so gut. Nur vereinzelt kehren die überflüssigen Arbeitskräfte in die Kneipe zurück. Linda entschuldigt sich kurz, um Toddy zu verlassen. Marie hat sich unauffällig verdrückt, Katja ist zu sehr mit Rauchen beschäftigt, um auf die Wünsche der Gäste einzugehen.
Gunnar liest meine Gedanken: »Dann machen wir wohl heute Theke, was, Süße?«
Die Süße übernimmt. Und der Süße stellt Albert hinter das DJ -Pult. Der freut sich etwas zu sehr. Er deutet auf die gestreifte Ersatzwand: »Was ist das, Frau Designerin, der letzte Vorhang? Gestrichene Segel?«
Zuviel für Little Miss Perfect. Katja wirft ihre Kippe in Alberts Gin und rauscht ab.
Albert schaut perplex in sein Glas, erst, als wir den Mercedes schon vom Hof fahren hören, schreit er ihr hinterher: »Haben wir es heute wieder stärker als gewöhnlich, ja?«
Ich greife nach dem verunreinigten Getränk und will es Albert ins Gesicht schütten. Aber ich gieße es in den Ausguss. Irgendwer muss hier mal einen kühlen Kopf bewahren. Die Gewalt muss ein Ende haben und die Getränkeverschwendung erst recht.
Gunnar lächelt mir zu. Sein neuer Zahn ist zu weiß. Gunnar sollte anfangen zu rauchen. Und ich sollte mir mal einen Tag frei von diesem Irrsinn nehmen, um meinen Kram geregelt zu kriegen. Den anderen Kram. Mein Leben eben.
Zur Arbeit gehen, um zu kündigen. Mit Ludi reden. Direkt morgen, bevor ich für die Bands koche. Verdammt, wir haben zwar eine Bühne aufgebaut, aber die ganzen Kabel gar nicht zum Mischpult verlegt. Aber Vladimir kommt bestimmt morgen zurück. Und Katja auch.
Die werden sich schon alle wieder berappeln. Solange halte ich eben die Stellung:
»Willst du einen neuen Gin Tonic, Albert?«
Welch vollkommen überflüssige Frage.
»Nur, wenn ihr einen mittrinkt.«
Wer arbeitet, soll auch feiern.
Das sieht auch Gunnar so. Es wäre gut gewesen, wenn ich ihm noch sein veganes Schnitzel gebraten hätte. Um halb zwei ist der Mann so hinüber, dass ich all meinen Liebreiz und all mein Bestechungsgeld aufwenden muss, damit der Taxifahrer uns mitnimmt.
XXXI
I ch will nicht zur Arbeit. Muss ich auch nicht, meine Frauenprobleme sind jetzt tatsächlich da, wie mich der Spiegel informiert. Yup, das ist ein Kamelhöcker, im modernen Frontladerlook.
Schwanger. Ein neues Leben, das ziemlich hurtig gewachsen ist.
Der werdende Vater erscheint im Spiegelbild und nimmt mir mit einem Wort all meine Sorgen: »Saufplauze.«
Dann geht er wieder ins Schlafzimmer, um nach diesem Anblick den Tag noch einmal neu zu beginnen.
Ich atme aus, Plauze wird größer. Zum Glück verschwindet so etwas sofort wieder, wenn man drei Monate nichts trinkt. Noch besser ist es, wenn man die Giftstoffe einfach aus dem Körper ausschwemmt.
»Kommst du mit in die Sauna, Gunnar?«
»Ach nö. Musst du nicht zur Arbeit? Hast du überhaupt noch mal da angerufen?«
Muss er immer ablenken?
»Kannst du mir Geld für die Sauna leihen?«
Keine Antwort. Nur ein Klacken. Noch eins. Probiert er meine Pumps an?
»Seit wann spielst du, Doris?«
Die Frage, seit wann ich was spiele, ergibt sich, weil ich jetzt etwas vernehme, was in meinen Kreisen als Trennungsgrund ausreicht. Gunnar zupft Smoke On the Water . Plauze und ich schieben uns zurück ins Schlafzimmer. Halbnackt
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