Betreutes Trinken
Bescheid, okay?«
»Okay, aber bitte trockne sie später auch wieder ab«, rufe ich dankbar zurück, und werfe Vladimir die Schlüssel zu. Er fängt sie lässig mit der Linken, mit der Rechten hält er unbarmherzig den Schlauch auf die kreischenden Bengel gerichtet: »Ihr seid eine Schande für die Rockmusik, ihr kleinen Mädchen«, bellt er ihnen nun auf Deutsch zu.
Ich überlasse Vladimir den Hinterhof und taste mich im Dunkeln zurück an die Front, durch den Flur zur Theke. Dort sieht es auf den ersten Blick ruhiger aus. Katja ist wieder auf der Gästeseite der Theke und raucht, das Busvieh ist getränkt und wäre bestimmt wunschlos glücklich, wenn jetzt bald auch das Konzert beginnen würde. Schließlich haben sie nicht dafür bezahlt, und genau darum geht es in dem Streit zwischen Marie und Raffi:
»Raphael, wie oft soll ich dir das noch sagen: Die Leute, die jetzt hier sind, sind nicht die Kartengewinner. Das ist so ein Fanclub aus Hamburg.«
»Die sind wegen der Band hier?«, fragt Raphael ungläubig zurück. Er ist heimlich sehr stolz darauf, dass in seinem Laden nur echter Underground auf die Bühne kommt. Alles, was mehr als dreißig zahlende Gäste anzieht, hält er für zu kommerziell. Prinzipiell eine lobenswerte Einstellung, aber für einen Kneipenpächter verheerend.
»Ja-ha, Raffi, und du hast sie einfach reingelassen, ohne dass sie bezahlt haben. Also hol’ das nach«, blafft Marie. Wütend drückt sie Raffi die Kasse und ein Stempelkissen in die Hand.
Das mag er nicht. Er bleibt wie angewurzelt stehen und schnauft: »Ja, aber dann haben wir jetzt ja ein Problem, Marie.«
Marie lehnt sich mit beiden Armen auf die Theke und erklärt ganz ruhig: »Ich würde sogar sagen, zwei Probleme. Erstens: Du musst ganz schnell bei denen hier kassieren, sonst haben die ihr ganzes Geld versoffen, und zweitens: Wenn die Kartengewinner doch noch kommen, sind wir hier …«
Marie fällt das Wort nicht ein, weil es in ihrem Kosmos noch nie vorgekommen ist.
»Überbucht?«, schlage ich vor und ernte damit ein verzweifeltes Lachen von Marie, sowie einen triumphierenden Blick von Raffi. »Genau, Doki, überbucht. Deswegen kassiere ich die hier jetzt auch nicht ab, sondern wir warten auf die Kartengewinner. Und wenn die kommen sollten, schmeißen wir die hier wieder raus und alles hat seine Ordnung.«
Marie öffnet den Mund, als ob sie etwas Furchtbares sagen wollte, wie etwa: »Raphael, der du mein Herz einst gebrochen hast und nun meine Seele zermürbst, du bist ein wahrer Vollidiot, wie ich nun erkenne, also kündige ich, jetzt und hier!«
Das möchte ich nicht und muss einschreiten: »Äh, wir haben noch ein drittes Problem. Die Band. Alle bekifft im Hinterhof.«
»Warum sagst du das erst jetzt?«, fahren mich Raphael und Marie gleichzeitig an, aber bevor beide in den Hof stürmen können, halte ich sie zurück: »Ne, Vladimir kümmert sich um die. Wird schon wieder.«
»Na, dann ist ja gut«, sagt Marie, nun wieder die Ruhe selbst, und schenkt einen Whisky für Vladimir ein.
»Ich gehe nach draußen und verscheuche die Kartengewinner, diese unerträglichen Zecken, die«, entschuldigt sich Raffi, schnappt sich ein Bier und trollt sich auf seinen Posten.
Marie stöhnt auf, ich nehme die Kasse und den Stempel an mich. »Soll ich?«, frage ich die Barkeeperin meines Vertrauens, aber die entwaffnet mich wieder, schenkt mir das berühmte Marie-Lächeln: »Doki, nichts gegen dich, aber lass’ das lieber Katja machen. Wenn jemand diese Tiere noch davon überzeugen kann, dass sie nachträglich Eintritt bezahlen müssen, dann Jean und Harlow.«
Ich nicke. Vielleicht werde ich es nie schaffen, dass meine Freundinnen sich untereinander befreunden, aber sie können im Ernstfall wenigstens einen gewissen Respekt der anderen gegenüber aufbringen. Und wenn Katja die schönste Barfrau der Welt als Steffie Tyler bezeichnen darf, so darf die auch Katjas Brüsten Namen geben.
Vielleicht wird es ja doch noch ein ganz harmonischer Abend.
Zwei Stunden später ist gemischte Sauna mit Kräuteraufguss.
Die Finnen traten in Ermangelung einer Wechselgarderobe in verstörender Feinrippunterwäsche auf die Bühne, der Hamburger Fanclub sah dies als den neuen Dresscode an, und schon vor dem ersten Solo waren sämtliche Typen im Raum oben ohne.
Ich weiß nicht, ob es Vladimirs Verdienst war, aber die Band rockt tatsächlich, vor allem der Schlagzeuger gibt alles. Obwohl er immer noch den Eimer über dem Gesicht
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