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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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gezapft oder Flasche. Alles 0,3. Wir schreiben nicht an, und mit albernen Cocktails wie Alster oder Radler fangen wir gar nicht erst an.«
    Das Konzept wird insgesamt gut aufgenommen, die Konzertkartengewinner saufen brav, was ihnen vor die Nase gestellt wird.
    Ich kann mich zur Hintertür durchhangeln, an der eines der Bandmitglieder schon ungeduldig von außen rappelt.
    »Ja doch«, maule ich, während ich versuche, den richtigen Schlüssel zu erfühlen, denn das Licht im Hausflur funktioniert selbstverständlich nicht.
    Schließlich finde ich ihn, öffne die Pforte, und blicke dem Albtraum eines jeden Veranstalters ins Auge. In acht von zehn Augen, um genau zu sein. Ein Paar kleiner und rotgeäderter als das andere. Fünf bekiffte Finnen. Taugt nicht mal als Zungenbrecher, aber erst recht nicht als Attraktion des Abends.
    »Who arrrre you?«, fragt mich der Kleinste von ihnen, der offenbar nicht mit der Faust, sondern mit seinem Fuß gegen die Tür gedonnert hat. Er hält mir vorwurfsvoll seine blanken, blutenden Zehen entgegen. »Who am I?«, will sein Bandkumpel wissen, der einen schmückenden Eimer auf dem Kopf trägt.
    »Who is she?«, will jetzt der Dritte wissen, bevor er sich in die Büsche übergibt. Nummer vier und fünf sind damit beschäftigt, gegenseitig ihre Finger zu zählen, und das Spiel scheint eine Herausforderung zu sein in ihrem Zustand.
    Laut Bandinfo im Internet müssen das die beiden Gitarristen sein. Hervorragend. Warum kann ich nicht zapfen oder Büffel ordnen? Dann stünde Marie jetzt hier, und würde die Bande einfach zurechtlächeln. Ich winke die finnischen Kräuterfreunde hinein:
    »I am Doki, and … ach du Scheiße, come in, and get … nüchtern, Mist, was heißt denn noch mal nüchtern auf Englisch?«
    » Sober «, souffliert eine tiefe Stimme aus dem Off. Und ich kenne diese Stimme. Sie gehört dem Mann, der hier gerne aus dem Nichts auftaucht: »Hallo Doris. Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Versuch’s, Vladimir«, zucke ich mit den Schultern und fange den mir entgegentaumelnden Eimerkopf auf, der immer noch wissen will, wer er ist.
    Vladimir, Stammgast der späten Stunde, immer zur Stelle, wenn es brennt, wirft einen abschätzenden Blick auf die Finnen, dann ruft er etwas, auf Russisch. Ich kann nicht genau sagen, ob die Jungs ihn verstanden haben oder ob sie einfach nur fasziniert von Vladimir sind, aber sie wenden sich ihm zu, und lauschen zu vier Fünfteln aufmerksam seinen Worten. Eimerkopf wird langsam schwer in meinen Armen, also stupse ich ihn unsanft Richtung Hinterhof. Er rollt vor Vladimirs Füße. Der Eimer hält.
    Vladimir schreitet jetzt auf dem Hinterhof hin und her, wie ein General, der die Reste seiner Armee zur Ordnung ruft. Ich verstehe kein Russisch, aber Vladimir deutet auf die Kneipe, dann auf die Jungs, schließlich auf mich, und schüttelt in seinem Wortschwall immer wieder enttäuscht den Kopf. Als einer der Fingerzähler es wagt, zu kichern, macht Vladimir das Gesicht. Keiner kichert mehr.
    Vladimirs Alltagsgesicht sieht schon nicht besonders werbewirksam aus. Markant ist gar kein Ausdruck für seine Züge, neben ihm sieht Tommy Lee Jones wie Barbie aus. Wo Iggy Pop Grübchen hat, hat Vladimir Gruben, und wenn er das Gesicht zieht, ist er Vlad, der Pfähler.
    Manchmal denke ich, es könnte die Sonne verdunkeln und bewirken, dass das Gezwitscher der Vögel schlagartig verstummt, aber das ist nur so eine Hypothese. Ich habe Vladimir noch nie bei Tageslicht gesehen. Tatsache ist, dass das Gesicht bekiffte Finnen zum Schweigen bringen kann.
    Gut, jetzt müssen wir sie nur noch zum Singen kriegen, denke ich, und Vladimir lächelt mir zu, im Rahmen seiner Möglichkeiten. Mit kaum merklich angehobenem Mundwinkel erkundigt er sich: »Sag, Doris, könntest du das Wasser im Keller anstellen? Für den Gartenschlauch. Ich werde die Finnen sobieren.«
    »Äh, du willst sie säubern?«, korrigiere ich, aber Vladimir winkt ungeduldig ab: »Ich mache sie sober . Nüchtern. Ich will sie kalt machen. Mit dem Schlauch.«
    »Prima Idee«, stimme ich zu, rase in den Keller und rufe nach oben: »Wasser läuft!«
    Der Hinterhof vom »Horst« ist sehr klein und zu drei Seiten von Hauswänden begrenzt. Gerade mal vier Fahrräder, zehn Bierkästen, eine kreischende finnische Band und ein russischer Wasserwerfer finden darin Platz, wie ich aus dem Hausflur heraus erkennen kann. Vladimir ruft: »Doris, ich mache hier die Musiker fertig, besser, du gehst und sagst Marie

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