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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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…«
    »Hoffentlich auch nicht schwul geworden«, denke ich etwas zu laut, und der Mann dreht sich zu mir um. Er hat noch diese tollen Zähne. Und die Augen, die Nase, die Wangenknochen, ja, verdammt, er hat sich in den letzten elf Jahren tatsächlich nicht sein wunderschönes Gesicht operieren lassen.
    »Doris! Wow!«, ist alles, was er sagt, bevor er mir um den Hals fällt. Ich lasse mich umarmen, lange und fest, und umarme zurück.
    »Hey«, flüstere ich, und als meine Hand auf seinem Hinterkopf zu liegen kommt, bin ich schon ruhiger. Fühlt sich etwas weniger füllig an als früher. Er ist doch ein Mensch und kein Hologramm. Es ist nur Gunnar.

VI
    N ach dieser schönen kleinen Ewigkeit lässt Gunnar mich schließlich los, oder ich ihn, und als ich ihm wieder in die Augen sehe, können wir beide gar nichts mehr sagen. Er strahlt mich nur an und ich ihn. Doch dann öffnet Gunnar den Mund, er …
    »Da bin ich schon«, tönt es von Richtung Tür. »Ey, wo sind die ganzen Leute hin?«
    Toddy stellt seine Plattenkiste auf der Theke ab, schnippt seinen Cowboyhut mit Daumen und Zeigefinger aus dem Gesicht und grinst frech. Marie zieht warnend die Augenbrauen hoch, Raffi schreit aus Richtung Küche: » TODDY, ICH BRING DICH UM !«
    Toddy schaut irritiert zur Küche hinüber, aus der jetzt schon Raffi herausspringt, Mordlust in den Augen, ein Messer in der Hand. Kein Schlachtermesser, aber der Anblick reicht aus, dass wir Mädchen wie Mädchen quietschen und Toddy vollkommen perplex in Raffis Flugbahn stehenbleibt.
    Ich sehe noch, wie eine Hand nach Raffis Handgelenkt greift und den daran befindlichen Körper über die Theke zieht. Jetzt erst quiekt Toddy wie ein Mädchen, Katja und Marie schreien so laut, dass man Raffis Aufprall gar nicht hören kann. Er ist ja auch gar nicht aufgeprallt. Nachdem Gunnar ihn auf unsere Seite der Theke befördert hat, fängt er ihn geschickt auf, mit einem weiteren Griff entwaffnet er ihn elegant: »Junge, was wolltest du denn damit? Ihm das Fett aus den Haaren kratzen?«
    So ist er, der Gunnar. Ein zu groß geratener Terence Hill, der nonchalant jede Schlägerei im Saloon schlichtet, und die Frauenherzen werden ihm immer zufliegen, solange man sich nicht mit ihm über Parkettboden streitet. Aber Raffi ist keine Frau, sondern … »Ey, ich bin nicht Junge , Alter, und … und … Wer bist du überhaupt?«
    Gunnar ist zum Glück nicht eitel. Er unterlässt es, seinen Degen zu ziehen und ein »Z« für »Zufällig in der Gegend herumstreunender Herzensbrecher« in Raffis Unterhemd zu ritzen, sondern kichert einfach. Das war schon immer seine Art, den Anwesenden zu zeigen, dass eine Situation vollkommen lächerlich ist. Nicht innovativ, aber wirkungsvoll.
    Also kichert Raffi mit, Katja und Marie strahlen erleichtert, und ich vermutlich noch mehr, nur Toddy fühlt sich nicht eingeladen: »Raphael, echt, ich rufe die Gewerkschaft an, es steht bestimmt in meinem Vertrag, dass du nicht mit Messern stechen darfst«, mault er, und Raffi landet jetzt doch auf dem Boden, weil er einen seiner seltenen Lachflashs durchleben muss.
    Eine geschlagene Minute hockt er da, gegen den Tresen gelehnt, unfähig, ein Wort zu sprechen, aber natürlich versucht er es trotzdem: »Ahgnng … gngng«, beginnt er immer wieder, zeigt auf Toddy, dann auf Gunnar, dann wedelt er mit den Händen, und das Spiel beginnt von Neuem: »Agn … gnngn …«
    »Er braucht ein Bier«, diagnostiziert Schwester Marie und reicht mir eine Flasche herüber, die ich dem armen Mann an den Mund führen will.
    »Übern Kopp«, empfiehlt Katja, und weil Raffi schon ganz blau im Gesicht wird, gehorche ich der Anweisung. Es wirkt. Raffi sieht aus wie ein frischgeduschter Finne, aber seine Gesichtsfarbe geht ins Violette über, und er kann hervorpressen:
    »Hehehehe … Arbeitsvertrag, hehehe, Toddy, du bist echt der größte Witzbold, den ich kenne, du …, du …, du … Schotte!«
    Toddy öffnet erbost den Mund, aber bevor er eine Rede über sein Sklavendasein schwingen kann, besinne ich mich meiner guten Erziehung und stelle meine Freunde einander vor:
    »Also Gunnar, der da am Boden liegt, das ist Raphael, der Chef. Das ist Toddy und das Marie. Und Katja, meine beste Freundin. Leute, das ist Gunnar. Er ist …«
    »Der Fahrer von der Band«, schnaubt Toddy, dem es völlig schnuppe zu sein scheint, dass der großartige Gunnar ihm gerade das Leben gerettet hat. Mit der einen Hand streicht er sich unsicher durch die filzigen Strähnen im

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