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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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nicht, ob sie sich je wieder aus meinem Mund entfernt.
    »Oha«, höre ich Raphael, von weit, weit entfernt sagen.
    »Ach ja, alte Liebe«, kommentiert Marie, und Toddy dreht die Musik wieder lauter, um alle Anwesenden zu erinnern, was heute noch auf dem Programm steht. Es ist kurz vor eins, und wenn die Welt nicht seit elf Jahren stillsteht, bedeutet das, dass wir gleich mit dem zweiten Schub Gäste zu rechnen haben.
    Angeblich kann man während eines guten Kusses nicht denken, aber folgendes Szenario spinnt sich die Romantikabteilung meines Kopfes aus, während meine Zunge ihren alten Kumpel, den Eckzahn umschlingt: In wenigen Minuten werden wir hier von Tanz- und Trinkwütigen umringt sein, eine Unabdingbarkeit, die Gunnar und ich höflich überknutschen werden, aber irgendwann wird er mir ins Ohr flüstern:
    »Doris, du kannst mir später verzeihen, jetzt möchte ich einfach, dass du mit mir zusammen in den Sonnenaufgang reitest, mit auf mein Schloss kommst, wo ich dich bis ans Ende unsere Tage lieben werde. Jeden Tag.«
    Aber stattdessen geschieht etwas ganz anderes. Die Musik verstummt abrupt, Gunnars Zunge entwischt aus meinem Mund, dafür dreht mich sein Arm schwungvoll um hundertachtzig Grad. Ziemlich guter Move, aber Katjas war noch besser. Sie steht auf der Theke: »Hey, Leute, bevor das hier gleich wieder bumsvoll wird, wollte ich noch etwas sagen.«
    »Lokalrunde?«, rät Raffi, aber Katja lässt sich nicht irritieren. Sie sieht ganz ernsthaft aus, plötzlich, und hat eine Träne im Augenwinkel: »Also, wie ihr wisst, ist heute ein besonderer Tag für mich, also für Doki und mich. Wir haben uns vor zehn Jahren hier kennengelernt und …«
    »Ich war dabei«, tönt Toddy, aber mehr sagt er zum Glück nicht.
    Katja zittert tatsächlich, Gunnar sieht mich besorgt an.
    »Also, was ich sagen wollte. Ich liebe euch. Alle. Und deswegen möchte ich euch etwas mitteilen. Ihr seid die ersten, die es erfahrt …«
    Was denn, was denn, Katja? Bist du todkrank, oder hast du im Lotto gewonnen? Bist du in Wahrheit ein Alien oder …
    »Ich verlebe quasi mein letztes Wochenende in Freiheit.«
    Oh mein Gott, meine beste Freundin hat eine Bank überfallen. Ohne mich dazu einzuladen!
    »Denn ich heirate. Am übernächsten Freitag, und dann muss ich zu einem Lehrgang, also bin ich da auch weg. Egal …«
    Jetzt hat meine beste Freundin, die Dramakönigin, doch tatsächlich den Faden verloren. Das kann nur eins bedeuten. Sie meint es ernst.
    »Das wird eine Feier im ganz kleinen Kreis. Doki ist meine Trauzeugin, und das war’s auch an Gästen …«
    Bitte was?
    »Weiß dein Andi davon?«, erkundigt sich Raffi, wird aber von Marie in die Seite geknufft. Sie hat ebenfalls Tränen in den Augen. Katja unter der Haube, eine von drei Milliarden Sorgen weniger.
    Katja fuchtelt unwirsch mit den Händen in der Luft herum: »Ja, natürlich weiß mein Andi davon, er hat mich ja gefragt, Blödkopp!« Dann entsinnt sie sich, dass sie auf der Bühne steht und die Zeit knapp wird.
    »Deswegen wollte ich euch fragen, ob wir jetzt alle zusammen eine Flasche Natternblut köpfen wollen, uns danach die Füße wund tanzen und uns den Kater unseres Lebens zulegen wollen?«
    »Keine Junggesellinnenabschiede in meiner Kneipe«, knurrt Raffi, aber er holt gleichzeitig die Flasche aus dem Kühlschrank.
    »Und, äh, Doki, dich wollte ich fragen, ob du, unter den gegebenen Umständen –« Sie deutet auf den Umstand, der meine Taille mittlerweile nicht mehr umarmt, »… ob du mit mir die Nacht verbringen willst?«
    Toddy gackert:« »Ich wusste es!«
    Katja fährt fort: »Also, ich habe uns nämlich die Suite im Hyatt gemietet. Mit Frühstück und Wellnessmassage. Kommst du mit?«
    Katja sieht mich so unendlich süß an, dass ich nur eines sagen kann, danke, aber ich würde wirklich lieber … »Natürlich kommt sie mit! Herzlichen Glückwunsch übrigens!«, sagt Gunnar und reicht der Fastvermählten die Hand, damit sie von der Theke über den Barhocker auf den Boden gleiten und mir um den Hals fallen kann: »Danke, danke Süße«, schnieft sie, und ich schniefe zurück:»Danke, danke, danke, das ist ja total super.«
    Ich bin so überwältigt. Und ein wenig überrumpelt, und in die große, große Freude, die ich damit zeigen will, indem ich zusammen mit Katja kreischend auf und ab hüpfe, mischt sich so ein winziges Gefühl von Wehmut. »Wo ist eigentlich Gunnar hin?«, fragt sich ein egoistisches kleines Stückchen von mir, und der etwas

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