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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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sich, und wir hören noch, wie sie die Treppe hinaufpoltern, ein Türenknallen und ein drohendes Röhren aus Vladimirs Kehle: »Jetzt alle Ruhe, sofort.«
    Kein Mucks ist mehr zu hören, Vladimirs Schritte hallen auf der Treppe, er steckt seinen Kopf durch die Tür, die die Küche vom Schankraum trennt: »Und ihr – weitermachen wie immer, schnell!«
    Da wir uns nicht rühren, macht Vladimir uns noch einmal vor, was wir alle sonst so tun. Er pflanzt sich auf seinen Stammplatz an die Theke und hält Marie ein Glas hin: »Machste mir noch so einen?«
    Nach diesem eindrucksvollen Exempel für gelungenes Kneipenverhalten schaut er auffordern in die Runde, also beginnt Toddy damit, eine Platte aufzulegen, Raffi trinkt und Katja wechselt die Thekenseite. Ich wittere eine winzige Chance, dass mein Arbeitsauftrag darin besteht, an Gunnar geschmiegt vor dem Merchandise-Stand zu verharren, aber Vladimir gibt mir die milde Version des Gesichts: »Doris, Bier trinken, an die Theke, hopp hopp, es ist wichtig, jetzt.«
    Ich gehorche, Vladimir scheint unsicher zu sein, welche Aufgabe er Gunnar zuweisen soll, aber dann hat er eine blendende Idee: »Du, Fremder, wisch’ das Zeug vom Tisch, ganz schnell.« Gunnar gehorcht ebenfalls; es war das erste Mal, dass er Vladimirs Gesicht sehen durfte.
    Sekunden später erfahren wir den Grund für Vladimirs sonderbare Strategie. Zwei Herren von der Polizei betreten das Lokal. Beide wirken nicht so, als hätten sie sich die Samstagsnachtschicht ausgesucht. »Guten Abend, die Herrschaften, wir sind auf der Suche nach ein paar nackten Männern.«
    Vladimir muss uns kein Gesicht zeigen, um uns zu ermahnen, dass wir uns jetzt besser zusammenreißen. Er dreht sich zu den Beamten um und sagt ganz ruhig:
    »Tut uns leid, aber hier sind nur anständige Menschen. Wir trinken nur ein Feierabendbier.«
    Der kleinere der beiden Polizisten mustert unsere beschauliche Gesellschaft, als wollte er ganz sicher gehen, dass wir zum Teil Frauen und außerdem allesamt bekleidet sind.
    Toddy sieht davon ab, I Shot the Sheriff aufzulegen, tippt sich aber an den Hut, so von Kollege zu Kollege.
    Der größere, jüngere der beiden grüßt sogar zurück, dann weiht er uns in ihre Einsatzpläne ein: »Also, wir sind von ein paar Anwohnern angerufen worden, wir sollten vorbeikommen und uns einschalten bei unzüchtigem Verhalten in der Öffentlichkeit.«
    Alle pressen die Lippen zusammen, der Polizist bemerkt seine unglückliche Formulierung und korrigiert: »Also, uns wurde von einer Gruppe entblößter junger Leute berichtet, die lautstark und offensichtlich angetrunken durch die Nachbarschaft marodierte. Haben Sie etwas davon mitbekommen?«
    Wir schütteln die Köpfe, nur Vladimir zeigt uns ein ganz neues Gesicht, das entfernt an Inspector Columbo erinnert: »Oh, doch, warten Sie. Als ich eben draußen war, da kam mir so eine Gruppe entgegen. Ich glaube, die sind in die Martinstraße abgebogen, da ist doch so ein Lokal …«
    Vladimir kratzt sich mit dem kleinen Finger am Kopf, der kleine Polizist ruft: »Das ›Vida Loca‹, meinen Sie? Das kommt hin, da könnten die hin sein. Danke!«
    »›Vieeeda Lokka‹, genau, so heißt es. Danke, Herr Wachtmeister!«, übertreibt es Vladimir nun siegessicher doch ein bisschen, und der ältere Polizist schnaubt.
    »Herr Kommissar genügt völlig. Also, vielen Dank, schönen Abend noch, komm, Bernd, wir gehen zur Martinstraße.«
    Kommissar Bernd hält das für eine gute Idee, er winkt uns noch einmal, dabei sagt er verträumt Richtung Marie: »Äh, ja, danke auch, und feiern Sie noch schön. Vielleicht sieht man sich ja mal, wenn hier mal jemand nackig ist … also, bis dann.«
    »Be-hernd!«, dröhnt es von draußen, und der junge Polizist beeilt sich, seinem erfahrenen Kollegen in die Martinstraße zu folgen.
    Toddy dreht die Musik leise, damit wir hören können, wie sich die Türen des Polizeiwagens öffnen und wieder zugeknallt werden. Die Staatsgewalt reitet vom Hof, verzichtet dabei dankenswerterweise auf den Einsatz der Sirene.
    »Danke, Vladimir«, flüstert Marie, und Katja klopft dem Retter auf die Schulter. Vladimir schüttelt ihre Hand ab und knurrt: »Möchte wissen, wo Tourbegleiter ist, der muss sich um so was kümmern.«
    Ich sehe mich außerstande, Vladimir zu petzen, wer da seine Aufsichtspflicht verletzt hat, denn mein Mund ist verstopft. Mit einer Zunge, die eben jenem Tourbegleiter gehört. Ich will gar nicht wissen, wie sie da hineingeraten ist, und auch

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