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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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schließlich, und mein Plan wird huldvoll abgenickt. Immerhin, ein paar durstige Filmfreaks trauen mir diese heikle Operation zu, wieder etwas, was ich in zukünftige Bewerbungsschreiben aufführen kann: »Krisensituationen durchschaue ich schnell und handele selbstständig, obgleich nicht übereilt. Im Vordergrund steht für mich stets das Wohl der Klienten.«
    Ich gehe nicht hinter der Theke her, sondern außen um die Kneipe herum zur Hintertür. Aus Respekt vor Marie. Sie hasst es, wenn jemand hinter ihrer Theke herläuft, ohne dass sie es im Vorfeld gestattet hat. Aber tatsächlich dient dieser kurze Umweg auch dazu, mir frische Luft zwischen die Ohren pusten zu lassen. Ich habe immer geahnt, dass Felix sich ausschließlich von Bier ernährt, aber warum hat Marie zugelassen, dass er das auf Pump tut? Ist sie von Muttergefühlen überwältigt worden, als der kleine Vollidiot sich von seinem Kichermonster getrennt hat? Oder resultiert dieser Riesendeckel doch eher auf Raffis eigentümlicher Geschäftspolitik? Unwahrscheinlich. Wenn Raffi das Geld in Form von Alkohol unter die Leute verteilt, führt er nicht Buch darüber.
    Ich bleibe stehen, um grob zu überschlagen, wie viel Geld ich hier in den letzten Jahren versoffen habe. Das vorläufige Zwischenergebnis sind leichter Schwindel und hoffentlich eingebildete Leberschmerzen. Zumindest wirkt die Summe von dreihundertneunundsechzig Euro jetzt überschaubar, geradezu lächerlich.
    Nun sollte ich in der Lage sein, Marie aufmunternd auf die Schulter zu klopfen und etwas zu sagen wie: »Kopf hoch, wenn wir gleich alle nur einmal zehn Prozent Trinkgeld geben, ist Felix’ Deckel so gut wie getilgt.«
    Als ich an der Hintertür der Kneipe ankomme, erwartet mich Marie bereits dort. Ihre Frisur ist aufgelöster als üblich, aber ihre Haltung schon wieder die einer Primaballerina. Sie tritt eine Kippe anmutig mit der Zehenspitze aus, während sie sich schon eine zweite anzündet.
    »Hey Doki, ich dachte, ich räume dir schon mal die Küche ein bisschen auf, für Freitag.« Ihre Stimme klingt belegt, aber sie gibt sich alle Mühe, mir den Clown vorzuspielen: »Ich habe sogar den Herd entdeckt. War unter den Bierkisten. Komm, ich zeig ihn dir!«
    Wortlos folge ich Marie zurück durch den Hausflur in die Küche. Tatsächlich, da steht ein Herd. Sogar angeschlossen. Damit ist es fast amtlich: Die sogenannte Küche ist eine Küche, war zumindest mal eine und könnte mit wenig Aufwand wieder eine werden.
    »Habt ihr Töpfe, oder sowas?«, wage ich zu fragen. Marie denkt angestrengt nach:
    »Da gucken wir mal. Im Keller. Die Tage.« Ich schaue sie an und befinde, dass Marie schnellstens wieder aus der Küche heraussollte. Der Ort scheint ihr nicht zu behagen, und das Licht schmeichelt ihrem Teint nicht. Außerdem gerät sie ins Plappern, was äußerst untypisch für sie ist: »Na ja, es war alles etwas kurzfristig geplant, aber wir dachten, warum sollten die Bands nicht mal etwas Vernünftiges essen, die Pommesbude hat die Preise ja auch wieder erhöht …«
    Sie hört auf zu reden. Zum Glück kann ich auch die Klappe halten, wenn es wirklich drauf ankommt. Die Pommesbude verschwindet also gar nicht, sondern wird nur unbezahlbar. Und ein Schuldendeckel von dreihundertachtzig Euro ist für Marie ein Grund zum Heulen. Eine geschicktere Geschäftsfrau als ich würde an dieser Stelle des Gesprächs nachhaken, für wie wenig Geld sie denn kochen soll. Mir kommen nur eher unbekannte Lebensweisheiten in den Sinn: »Denke nicht darüber nach, was deine Kneipe für dich tun kann, sondern darüber, was du für deine Kneipe tun kannst!«
    Zu Marie sage ich: »Also ich finde, seitdem die Frittenbude die Majo gewechselt hat, konnte man die sowieso vergessen.«
    Marie nickt grimmig: »Exakt. Und wer kann schon an fünf Tagen die Woche Pommes mit Ketchup essen?«
    Abgesehen von Marie fällt mir keiner ein, dafür eine Menge Leute, die völlig ohne feste Nahrung auskommen: »Äh ja, Marie, vielleicht solltest du wieder hinter die Bar, da herrscht Ebbe.«
    Marie schaut mich an, als hätte ich sie gerade aus einem hundertjährigen Schlaf geweckt, aber dann reagiert sie genau-so schnell wie jede Prinzessin, die dieses Schicksal erleiden musste: Nicht wundern, sondern kurz die Haare geschüttelt und wahrhaft royal gesprochen: »Stimmt, dann mal los, Deppen abfüllen.«
    Ganz selbstverständlich schlage ich den Weg zur Hintertür ein, aber Marie hält mich an der Schulter fest: »Doki, du kannst ruhig

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