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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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viertschönste Blume ist, eine langstielige Lilie unter all den Rosen, oder vielleicht doch eine Sonnenblume, eine Bohne …«
    Ich kann nur noch mit einem halben Ohr verfolgen, wie weit meine botanische Herabwürdigung fortschreitet, denn Felix hat sich unbemerkt wieder auf sein Schlachtross geworfen. Er greift tollkühn vom anderen Ende der Theke an: »Marie, ey, sorry, bei mir ist es gerade echt knapp mit der Kohle, mir geht’s nicht so gut. Du weißt ja …«, nuschelt er halb der Angebeteten, halb seinem Jackenkragen zu, und natürlich weiß Marie und lächelt.
    Wir alle wissen, lächeln aber nicht, sondern schauen in alle möglichen Richtungen, nur nicht in Felix’. Der hat da nämlich ganz entschieden zu unlauteren Mitteln gegriffen. Während seine Gegner noch am Nebenkriegsschauplatz tänzeln, hat er den Morgenstern ausgepackt: Felix ist innerhalb einer Woche aus seiner Band geworfen und von seiner Freundin verlassen worden. Dass dieses Mädchen, das wir alle nur als das Kichermonster bezeichnet haben, tatsächlich Felix’ Freundin war, hat er allerdings erst im Nachhinein zugegeben. Aber das mit der Band war ein wirklich harter Schlag. Ein Gründungsmitglied aus der Band zu schmeißen, das macht man nicht, es sei denn, dieses Gründungsmitglied hätte sich ganz unfein verhalten, sprich, es hätte die Bandkasse für eine neue Gitarre geplündert, statt davon die Proberaummiete zu bezahlen.
    Mit solchen Aktionen reißt man auch seinen weiteren Bekanntenkreis in ein moralisches Dilemma: Zu diesem Thema gab es schon heftige Diskussionen an der Theke, die Fronten waren schnell verhärtet.
    Die Pro-Felix-Gruppe argumentierte stets mit: »Ey, der ist halt Vollblutmusiker, und es ist eine supergeile Gitarre, zu dem Spottpreis hätte ich die auch gekauft!«
    Die Gegenseite war und ist jedoch überzeugt:
    »Der Penner, jetzt fliegt vielleicht die gesamte Band aus dem Proberaum raus, und er kann die Gitarre eh nicht mehr benutzen!«
    So ungern ich es zugebe: Es war also ein ganz klassisches Männer-gegen-Frauen-Ding, aber bevor es zu klischeehaft wurde, kam Vladimir und hat ein Machtwort gesprochen. Er hat sich die Diskussion angehört, dabei langsam seinen Whisky geleert, und uns dann auf einen bisher nicht beachteten Aspekt an dem Fall aufmerksam gemacht, in dem er sprach: »Ein Gutes hat die Sache in jedem Fall für alle. Kichermonster kommt nicht mehr in Kneipe.«
    Und allein wie Vladimir das Wort »Kichermonster« ausgesprochen hat, so schwermütig und auch leicht verängstigt, als handle es sich bei »Kichermonster« tatsächlich um einen gemeingefährlichen Lindwurm und nicht um eine nervtötende Blondine, hat uns alle wieder miteinander versöhnt.
    Trotz allem – Felix steht unter einer Art Teilzeitächtung der Mädels, und die Jungs wollen ihm seine neue Gitarre abschwatzen. Kurz gesagt: Felix muss sich um Marie bemühen, sozusagen an höchster Stelle um Absolution bitten, und ihm wird Gnade geschehen, wenn das hohe Gericht bezeugen kann, dass Marie ihn mehr als fünfmal angelächelt hat an einem Abend.
    Eines konnte er bisher erbeuten, und bei dem nun folgenden zweiten sind wir nicht sicher, ob es zählt. Marie lächelt nämlich viel eher das neue Bier an, welches sie Felix reicht, und säuselt: »Hier, Felix, das geht aufs Haus, du hast es ja wirklich nicht leicht im Moment«, und ihr Lächeln mutiert zu einem fast tückischen Grinsen, als sie hinzufügt: »Und Kicher… ich meine Babsi, die sehen wir bestimmt auch nicht sobald wieder, oder?«
    Felix fällt drauf rein, nickt mit ernstem Gesicht und schaut dabei so angestrengt auf seine Flasche, dass er nicht sehen kann, wie die gesamte Kneipe sich köstlich amüsiert: über Felix’ Show, über die Abwesenheit von Kichermonster, über Vladimirs goldene Worte. Wir sind leicht zu erheitern an einem Montagabend.
    Das Spielfeld wird mittlerweile neu aufgebaut: Felix wähnt sich sicher in der Lonesome-Cowboy-Pose, verharrt also schweigend auf seinem Platz, darauf hoffend, dass Marie ihn im Laufe des Abends über seinen Seelenzustand ausfragen und belächeln wird, Albert und Holger haben sich in ein Gespräch über Led Zeppelin verbissen:
    »Das zweite Album war einfach gnadenlos überschätzt«, ereifert sich Albert, und Holger kontert: »Aber ich brauche die Erstpressung als Kapitalanlage, daher kannst du es mir die Platte doch einfach verkaufen.«
    Albert beißt in seine Limette, noch kauend widerspricht er: »Holger, die verkaufe ich dir nicht. Mir ist

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