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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Marie?«
    »Und wo ist Ludi?«, ergänze ich. Plötzlich bekomme ich es mit der Angst zu tun. Hat sich während meines Kochrausches ein Wurmloch im Raum-Zeit-Kontinuum aufgetan und den besseren Teil meiner Freunde und meiner Kneipe geschluckt?
    »Ja, und wo sind meine ganzen Fans? Da standen doch mindestens hundert vor der Tür, oder?«, mutmaßt Ray, und noch bevor Toddy diese Zahl drastisch nach unten korrigieren kann, hören wir es.
    Plock. Plock, plock, plock. Kaschamm.
    Mittelgroßer Jubel erschallt. Er kommt von der Straße.
    Ich stürme zur Tür, Ray kräht mir hinterher: »Sagt den Leuten Bescheid, dass ich hier bin! Sagt ihnen, ich bin hier drin und trinke ein Bier, einfach so, wie ein ganz normaler Kerl.«
    Toddy fügt hinzu: »Und sag Raffi, dass ich gleich hier weg bin. Aber er muss mir die ganze Schicht bezahlen, plus Spritgeld zum Krankenhaus!«
    Das Bild, das sich mir auf dem Bürgersteig vor der Kneipe bietet, beweist, dass ich mit meiner Vermutung über das Wurmloch ziemlich gut lag – während ich über den Töpfen hing, haben die Menschen hier vielleicht kein Paralleluniversum aufgebaut, aber immerhin eine neue Zivilisation, mit allem was dazugehört.
    Sie verfügen über Bier, Licht und rudimentäre Sprache, und weil die Population aus mehr als den amtlich dazu benötigten Zwölfen besteht, haben sie schon mal eine Religion gegründet, aber das geht ja immer fix.
    Einen Messias haben sie auch schon auserkoren. Der wirbelt wie ein Irrwisch an den Kickerstangen herum und hält durch das Vorführen von faulen Tricks oder wahren Wundern die Gläubigen in Ehrfurcht.
    »Wie habt ihr den Kicker …«, rufe ich Ludi quer über den Tisch zu, werde aber von seinen Jüngern gemaßregelt: »Ey, quatsch’ ihn nicht an, wenn der Ball im Spiel ist. Der Meister hat eine Serie!«
    Wenigstens ist der Meister so gnädig, mir kurz nach einem weiteren Treffer zuzuzwinkern und mich wissen zu lassen: »Coole Freunde hast du, Doki. Keine Ahnung vom Kickern, aber gut zum Üben!«
    Sein Volk lacht über diese losen Worte, Raffi streicht seinem neuen Schützling über die verschwitzen Haare: »Los, Ludi, ich hab’ einen Zehner auf dich gesetzt, mach ihn fertig!«
    »Und ich hab zwanzig auf ›zu Null‹ gesetzt. Hau rein, Goldjunge!«
    Jetzt wird es langsam komisch. Diese letzte Anfeuerung stammte von Marie, die mit glasigem Blick auf das Spielfeld starrt. Ich sollte ein Machtwort sprechen. Aber ich bin zu fasziniert vom Geschehen, ich muss gebannt zusehen, wie Ludi den Champion, Harald »Zauberhand« Heitkamp, düpiert, indem er rotzfrech ein unmögliches Tor aus der hintersten Ecke schießt.
    Sein sechstes, wie ich dem Spielstand entnehme. Eine Welle des Stolzes überkommt mich. Wer trainiert mit dem Jungen seit fast einem Jahr? Wer hat das Wunderkind entdeckt, na?
    »Torwarttor zählt doppelt, sieben zu null, Harald!«, kreischt Raffi, und Harald erbittet einen Time-Out.
    »Ich muss mir meine Handschuhe straffer ziehen, damit stimmt heute irgendetwas nicht.«
    »Ne, ist klar, Harry, wenn der Bauer nicht schwimmen kann, liegt’s an der Badehose!«
    Man beglückwünscht mich grölend zu diesem ebenso alten wie wahren Spruch, plötzlich habe ich eine Flasche Bier in der Hand, Ludi prostet mir lächelnd mit seiner eigenen zu.
    Moment mal.
    »Ludolf Schwenke-Großmann, lass sofort die Flasche los«, brülle ich, und ausnahmsweise wird auf meine Befehle gehört. Nicht nur Ludi, sondern noch mindestens drei Schlachtenbummler lassen ihre Biere fallen, die auf dem Asphalt zerschellen. Für einen Moment ist es so still, dass man hören kann, wie die Rinnsale aus Schaum und Gerstensaft in den Gully fließen.
    Plock.
    »Haha, nicht zu null, Zauberhand holt auf«, kommentiert Harald den neuen Spielstand, aber keiner achtet mehr auf ihn. Der Mob konzentriert sich auf mich.
    »Mensch, Doki, bist du übergeschnappt?«
    »Du schuldest mir ein fast volles Bier!«
    »Du hast das Match versaut! Ich kriege meinen Wetteinsatz von dir, du Kuh!«
    »Was ist das denn für ’ne Trine?«
    Raffi nimmt sogar seine Sonnenbrille ab und fragt: »Sag mal, geht’s noch, Madame?«
    Es reicht: »Ey, Leute, der Junge ist fünfzehn, okay? Ich will gar nicht wissen, wie viel Bier ihr ihm schon gegeben habt, ey, ich bin verantwortlich für den, und ihr wettet auf ihn? Mit Scheinen! Ich glaube das alles nicht!«
    Der Pöbel lässt die imaginären Mistforken sinken, einige sehen mich betroffen an, andere blicken beschämt zu Boden. Irgendwer öffnet sich

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