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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Geliebten hinunter, küsse seinen Nacken. »Ich muss zur Arbeit, bis später.«
    Der Geliebte dreht sich zu mir, schaut zweifelnd. »So willst du losgehen? Ohne zu duschen? Sie werden dir kündigen. Fristlos.«
    Leider wird das nicht funktionieren. Wenn man bei uns aufgrund seines Körpergeruchs entlassen werden könnte, wäre das ein astreiner Fall von Diskriminierung. Das würde viel zu hohe Wellen schlagen, eine Klage nach sich ziehen, bis zur höchsten Instanz gehen und letztendlich zur Schließung unseres herrlichen Etablissements führen. Wenn bei uns jemand komisch riecht, lösen wir das Problem auf unsere ganz eigene, total soziale Weise. So haben wir Arne wieder und wieder bescheinigt, wie unglaublich toll wir es finden, dass er in seiner Freizeit die Zwergenmannschaft des Fußballvereins für umme trainiert. Samstags, vor der Arbeit. Und natürlich sei es da für alle verständlich, wenn er eine halbe Stunde später käme, sicher, kein Thema. Arne, der nie zur spät an einem Samstag erschien, hatte es nach drei Monaten geschnallt. Er duschte nach dem Training und erschien fortan eine ganze Stunde später bei der Schicht.
    Allerdings rieche ich nicht nach Schweiß, sondern nach totem »Horst«.
    Vielleicht kann ich meinen Kollegen weismachen, dass ich am Wochenende ehrenamtlich Obdachlosen das Schwimmen beibringe. In Bierpfützen.
    »Sprüh mich ein«, befehle ich Gunnar, reiche ihm die Deoflasche und drehe mich schwankend um die eigene Achse.
    Er seufzt, macht aber aus reiner Liebe einen Finger für mich krumm.
    Mein Traum kommt mir wieder in den Sinn: »Gunnar, wenn du deinen Zahn wieder einsetzen lassen willst, die Nummer von meinem Zahnarzt hängt an der Kühlschranktür.«
    Er schüttelt den Kopf: »Ne, ich geh zu Doktor Sulz.«
    Eine gute Wahl. Bei Doktor Sulz gibt es immer eine hausgemachte Mettwurst nach der Sitzung, wenn man keine Löcher hat. Zumindest war das noch die kreative Belohnung vor sechzehn Jahren, als ich das letzte Mal bei ihm war.
    Ich setze mich wieder auf die Bettkante, Gunnar kratzt sich am Kopf: »Ja, ich hatte meiner Mutter gesagt, dass ich bei ihr vorbeischaue, wenn die Finnen-Tour zu Ende ist. Ist ja ein Aufwasch, da kann ich auch gleich zum Sülzwurst gehen, wenn ich schon mal in der alten Heimat bin.«
    Ich starre auf meine Füße. Das wird so nichts. Die Schuhbänder haben sich schon wieder listig aus dem Schaft gewunden, sie werden sich in den Pedalen verwickeln, und ich werde mit dem Fahrrad stürzen. Hoffentlich auf einer viel befahrenen Kreuzung.
    »Hallo Doris, jetzt guck nicht so, ich komme ja morgen wieder. Spätestens übermorgen, keine Sorge. Oder, noch besser: Du hast doch morgen frei, oder? Komm doch einfach mit, wir teilen uns das Ticket, und deine Mutter freut sich bestimmt auch, wenn du dich mal blicken lässt, oder?«
    Da kann ich mich auch gleich an meinen Schuhbändern erhängen. Meine Mutter wird sich freuen, natürlich, das wird ein Fest, man wird ein Schwein schlachten, mir zu Ehren, oder sogar eine Dose Ravioli öffnen. Meine Schwester wird eingeladen werden, und ihre Brut wird sich darum balgen, Tante Doris vorzuführen, wie kräftig, gesund und verhaltensgestört die Kinder auf dem Lande heute noch sind. Und wenn sie mir die letzte Haarsträhne vom Kopf gerissen haben, wird meine Mutter endlich lobende Worte für mich finden, nämlich diese:
    »Tja, Doris, wo ich dich so mit den Kindern sehe, finde ich es auch gut, dass du keine bekommen hast. Sag, wo arbeitest du noch gleich?«
    »Natürlich komme ich mit zu deiner Mutter«, will mich Gunnar ködern und bringt mich zum Nachdenken. Meine Mutter behauptet, sie sei Atheistin, aber sie vergöttert Gunnar. Sie fand ihn schon umwerfend, als er noch in die Hose gemacht hat, aber als er mich zum Abiball ausführte, hatte sie Tränen in den Augen. Was sagte sie noch gleich? Ach ja: »Wäre der nicht eher was für Lovis?«
    Ich schüttle mich, aber Gunnar hat es auch so kapiert. »Okay, noch die alten Wunden, ja. Vielleicht solltest du da noch mal ran, Süße. Therapeutisch, meine ich.«
    »Ich muss los, wir telefonieren«, beende ich die Diskussion und bin schon aus der Tür.
    Vor der Haustür steht kein Fahrrad. Richtig, meine Gebete wurden ja erhört, es wurde geklaut. Vielleicht sollte ich Benno anrufen und ihn fragen, ob ich mir das Rad seiner neuen Freundin ausborgen könnte, denn das hat er ihr bestimmt schon gekauft. Er weiß ja seit drei Wochen, dass das Rad, das er mir vermacht hat, gestohlen wurde.

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