Betreutes Trinken
zu lassen?
Gunnar stoppt mich in der Küche: »Wohin des Weges, Geliebte?«
»Katja, ihr geht’s nicht gut.«
Gunnar schlingt die Arme um mich: »Lass sie einfach, okay?«
Sehr verführerisch, ich würde gerne alles für heute bleiben lassen. Es war bestimmt gut, das Raffi gestern nicht hier war, aber es wäre besser gewesen, wenn ich hier geblieben wäre. Ich hätte Katja rechtzeitig im Zaum halten können, vielleicht wäre es mir sogar möglich gewesen, Andi rechtzeitig zu sehen. Ich war aber nicht mehr da. Ich habe Musikantenstadl geschaut.
»Ja, er hat recht«, bestätigt Vladimir, »lass Katja. Sie muss einmal sein ohne … Verstand von anderen.«
»Verständnis«, korrigiert Lehrerkind Gunnar geduldig.
»Das auch«, schlägt Vladimir vor. Sie haben mich überzeugt. Wenn man es genau betrachtet, ist Black-Out eine Würgeschlange, Katja kann sich also gar nicht durch ihren Biss vergiften, und sich zu Tode quetschen zu lassen widerspräche dem obersten Prinzip von Stilikone Alpert: »Jung sterben will ich nicht, aber eine schöne Leiche abzugeben, das schuldet man den Gästen schon!« Da ist sie wie Marie, die nicht mit Dauerwelle abtreten wollte.
Ich werde dreckig sterben, und zwar bald. Nur eine Kombinationsmedizin aus Tatort , Pizza und frischer Bettwäsche kann mich retten. Mit ein bisschen Glück hat Andi letzteres arrangiert.
»Also, ab nach Hause?«, fragt mich Gunnar. Nach Hause, wie wundervoll. Unser trautes Heim. Ich falle ihm um den Hals: »Trag mich, ja?«
Gunnar will mich ernsthaft auf den Rücken heben, aber Vladimir kramt etwas aus seiner Manteltasche:
»Ach, schaut, was ich gefunden habe: deinen Zahn, Gunnar! Kann man wieder kleben, ist nicht kaputt.«
»Dankeschön.« Er spuckt immer noch beim »sch«. Er sollte wirklich schnellstens zum Zahnarzt.
Wir leisten uns ein Taxi nach Hause. Bilanz des Tages: Nicht alles ist kaputt, manches kann man kleben, der Kneipenboden klebt erst morgen wieder und der Umsturz des Systems ist ebenfalls auf morgen verschoben worden. Solange müssen wir auf das Verständnis aller Beteiligten hoffen, oder auf ihren Verstand.
Ich schlafe ein, bevor die Titelmelodie vom Tatort verklungen ist.
XXVI
I ch öffne das Terrarium und Black-Out bricht aus. Und er wächst. Er wird riesengroß und frisst Raffi auf. Marie springt natürlich direkt hinterher, um ihn zu retten, aber auch sie verschwindet im Schlund. Zum Glück ist Vladimir da, um die Bestie mit dem Gartenschlauch zu bekämpfen. Katja und Gunnar schauen dabei zu, essen Popcorn und tauschen immer wieder ihre Köpfe, bis Katjas Mund sagt: »Also, der erste Teil hat mir besser gefallen!«
Andi füllt eine Hochzeitstorte mit Batzen und Ludi kann fliegen, wenigstens etwas. Aber immer nur um den Anker herum, und Kira versucht, ihn mit einem Besen zu verscheuchen. Was tue ich? Ich versuche natürlich, die Feuerwehr anzurufen, damit die etwas tut, aber egal, welche Telefonnummer ich wähle, ich erreiche immer nur die Sprechstundenhilfe meines Zahnarztes, die mich wissen lässt: »Liebchen, es kann aber eine Weile dauern, bis der Doktor Zeit für Ihre Wehwehchen hat. Gibt ja noch Leute mit richtigen Problemen, nicht wahr? Tschüssi.«
Dann ertrinke ich in einem weiten Ozean, und eine ungeheure Ruhe überkommt mich. In jedem meiner Alpträume ertrinke ich, aber immer erst am Ende, kurz vor dem Abspann. Gleich wache ich auf. Wusste gar nicht, dass ich im Schlaf rede …
»Doris, du träumst nicht allen Ernstes mit Abspann, oder?« fragt Gunnar mich.
»Doch, habe ich mal irgendwann eingebaut, weil ich’s cool fand.«
»Man kann sich doch nicht aussuchen, wovon man träumt.«
Kann der Mann nicht einmal nachgeben?
»Doch, doch. Man muss nur aufpassen. Da kann man schnell in einer Abo-Falle landen.«
Gunnar stöhnt: »Wie kann man um neun Uhr morgens schon so einen Unfug reden?«
Neun Uhr. Ich kann es schaffen. Wenn ich einfach nur meine Schuhe anziehe, direkt aufs Fahrrad springe und Rückenwind habe, kann ich heute rechtzeitig im Anker sein.
Ich setzte mich auf die Bettkante, sehe meine Turnschuhe auf dem Boden, schlüpfe hinein, aber ich bin unfähig eine Schleife zu binden. Körperlich, nicht mental. Der Muskelkater in meinen Armen verbietet mir derart filigrane Arbeiten.
»Kannst du mir eine Zigarette drehen?«, frage ich hilflos, Gunnar haut zur Antwort seinen Kopf ins Kissen.
Ich schaffe es, die Schuhbänder im Schuh zu verstauen, und sprühe mir Deo neben die Achsel. Vorsichtig beuge ich mich zum
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