Betreutes Trinken
klären«, schlage ich kreischend vor. Gunnar schrubbt wie besessen an der Theke herum, Seifenblasen steigen um ihn herum auf, der alte Kitschhansel.
Wir haben unseren ganz eigenen Trick gefunden, um das Monster zu besiegen. Es braucht harte Musik, kaltes Blut und heiße Herzen, um die Spuren eines Samstagabends im »Dead Horst«zu eliminieren. Ich will dem Schmutzhaufen mit einem gewöhnlichen Kehrblech zu Leibe rücken, Gunnar reicht mir eine Gartenschaufel: »Hier Baby, ich hol dir noch die Mülltonne.«
Er spreizt die Arme ab, beugt sich vor und gibt mir einen winzigen Kuss mit zusammengepressten Lippen. Und ganz ehrlich: Ich möchte ihn gerade auch nicht anfassen. Wir schwitzen wie – Raffi. Ich bin mir sicher, dass Gestank und Staub sich in unsere geöffneten Poren drängen, und wir werden uns später selbst mit Drahtbürsten bearbeiten müssen. Wann später?
»Vladimir, wie lange braucht man, um den Laden sauberzumachen?«, frage ich ihn, als er die Brühe in seinem Wischeimer in den Ausguss kippt.
»Ach, allein braucht man so drei Stunden, manchmal vier. Zu dritt – auch.«
Wir schrubben schneller. Und ganz nebenbei finde ich den letzten Schlüssel zur effektiven Arbeit. Nicht denken. An gar nichts. Nicht daran, dass Prinzessin Katja noch in den Gemächern über uns ruht, nicht daran, was ich ihr von ihrem Andi erzähle oder umgekehrt.
»Doris, du hast vergessen, unter dem Kicker zu wischen. Machst du noch einmal, ja?«
Wie gesagt, nicht denken, machen. Andi wird schon nicht mehr da sein, wenn wir zurückkommen, der muss ja auch morgen arbeiten. Und ich auch. Ich hatte völlig vergessen, dass da draußen noch eine andere Welt existiert, in die ich wieder eintreten muss in wenigen Stunden.
»So ist gut, Doris, mit Kraft an die bösen Stellen.«
Mir war gar nicht bewusst, dass es gute Stellen gibt, aber irgendwann tauchen sie tatsächlich auf. Nach dem dritten Durchgang im Bodenwischen haben wir Gewissheit: Der Boden ist hellgrau. Ein mattes Hellgrau, also spiegeln sich unsere stolzen Gesichter leider nicht in seinem Glanz wider.
»Sehr gut, jetzt Zeit für Schnickschnack«, kommandiert Vladimir. Ich bin gespannt. Werden wir die Bar nun mit Girlanden dekorieren und Appetithäppchen für die Sonntagsgäste bereitstellen?
»Gunni, wir wollten doch den Herd nach oben stellen, erinnerst du dich?«
Der mich Liebende stöhnt, und Vladimirs allerletzter Zaubertrick offenbart sich mir: Die dämliche »Gunni-Nummer« ist ein ziemlich lächerlicher Bluff, denn Verniedlichungen unter Kerlen sind nichts anderes als Aufstachelung auf Pausenhofniveau, eine Kurzform für: »Haha, Klein-Gunni traut sich nicht.«
»Sicher, Vladi, schleppen wir das Teil hoch. Kannst du den anschließen?«
»Klar. Bin gelernter Elektriker. Auch.«
Die Dame verzichtet darauf, dem Kräftemessen beizuwohnen, sondern beschließt, den Ausgang des Duells mondän rauchend im Salon abzuwarten. Sie ist guter Dinge, denn sie weiß, wer als Sieger aus diesem lächerlichen Kampf hervorgehen wird: der Herd.
Während die beiden Schlauköpfe also herausfinden werden, dass sie das Gerät niemals über die Stiegen werden wuchten können, überkommt mich der Weltschmerz. Die Sinnlosigkeit jeglichen Daseins ziehe ich in Zweifel, wenn ich mich in der Kneipe umsehe. Es herrscht leidliche Ordnung. Ein Hauch Desinfektionsmittel liegt in der Luft, er wird abgeklungen sein in einer Stunde, wenn Toddy die Kneipe öffnet. Es werden Gäste kommen. Sie werden neuen Dreck machen. Wir werden putzen müssen. Es wird wieder dreckig werden. Donnerstag steht ein Konzert auf dem Programm. Noch mehr Schmutz. Jemand wie ich, der schon Bettenmachen für eine Sisyphosarbeit hält, kann bei diesem Gedanken leicht wahnsinnig werden.
Auch aus der Küche dringen schlechte Nachrichten zu mir durch:
»Oh oh. Ich glaube, wir haben den Herd kaputtgemacht.«
»Hast recht. Komm wir stellen ihn in den Keller, Gunni.«
Was kann mir helfen in dieser schweren Stunde? Ich will einfach nur raus hier. Zum ersten Mal seit zehn Jahren will ich die Kneipe verlassen, ohne auch nur ein Bier getrunken zu haben. Vielleicht sollte ich Vladimir die Leitung meines Anti-Drogen-Projektes überlassen. Seine Boot-Camp-Methode ist sehr effektiv, mein Geist ist gebrochen, mein Körper schwer. Ich könnte morgen in einen beliebigen bewaffneten Konflikt schreiten, wenn ich nur die Gewissheit hätte, dass jemand anderes hinter mir aufräumt. Den Heeren folgen die Huren, und nach den Trümmerfrauen
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