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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bartel
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zöge.
    »Versprochen?«, fragt er.
    »Versprochen«, sage ich.
    Auf dem Rückweg halten mich die Leute für den Rattenfänger von Hameln oder wenigstens für einen durchgeknallten Jesusfreak. Kein Wunder, ich laufe mit nacktem Oberkörper durch die City, flankiert von zwei Herrschaften mit Downsyndrom, von denen eine Herrschaft lauthals »Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer« kräht. Und ich? Ich singe natürlich mit. Die Passanten schauen zwar misstrauisch, greifen jedoch nicht ein.
    Was ist das bloß für eine Gesellschaft, die zulässt, dass offensichtlich religiös motivierte Irre wehrlose Menschen mit geistiger Behinderung entführen, um an ihnen womöglich unaussprechliche Rituale zu vollziehen. Hätte ja sein können. Ich als Musterzivi prangere das an.
    Und während Milva schließlich zu »Mein Freund der Baum« überschwenkt, murmele ich Sarahs Adresse wie ein Mantra vor mich hin.
    Danke, Rashid. Es war ein fairer Tausch.

13 »Ich habe dich gefunden.«
    »Das sehe ich.«
    »Obwohl ich nur deinen Vornamen gewusst habe.«
    »Ja.«
    »Wahnsinn, oder?«
    »Hmm.«
    Ich finde, mein Einsatz wird hier nicht ausreichend gewürdigt.
    Gerade habe ich geklingelt, Sarah hat geöffnet und jetzt stehen wir voreinander. Ich habe diese Szene in den letzten Monaten bestimmt hundertmal geprobt und stets wesentlich dynamischer und leidenschaftlicher angelegt.
    Es sollte doch eine Schlüsselszene werden und jetzt ist sie total lahm geraten: keine Geigen, kein gehauchtes »Wie hast du mich gefunden?« und keine bedeutungsschwangeren Blicke durch tränenschwere Lider. Ach. Schnöde. Welt.
    Ich stehe unter kalkweißem Neonlicht in einem nach Sagrotan riechenden Hausflur. Sogar der Gummibaum neben mir scheint desinfiziert worden zu sein und ich komme mir vor wie ein Vertreter mit schlammverschmierten Schuhen und schadhaftem Sortiment.
    Man soll die Realität nie Regie führen lassen, wenigstens das hätte ich mittlerweile von Käpt’n Horsti lernen können.
    Ich erwarte ja nicht, dass Sarah gleich in meine Arme sinkt. Obwohl: Warum eigentlich nicht? Was ist gegen meine Arme einzuwenden? Ich verfüge über Körperteile, mit denen ich weniger zufrieden bin. Außerdem weiß Sarah ja gar nicht, was ich alles durchgemacht haben könnte, um sie wiederzufinden. Ich hätte ja gegen Zyklopen oder wenigstens Windmühlen gekämpft haben können, gegen gedungene Meuchelmörder oder den Gesang der Sirenen, und alles, was Sarah dazu einfällt, ist: Hmm.
    Auf Hmm kann man nichts erwidern, deswegen entfallen alle geistreichen Wortbeiträge, die ich mir zurechtgelegt hatte, mangels Anspielstation. Ich lächle in die Stille hinein.
    Sarah lächelt nicht zurück.
    Die Stille zwischen uns dröhnt.
    Ich bin noch nicht zum Rückzug bereit, auch wenn ich bloß ein Vertreter mit schadhaftem Sortiment in einem beängstigend sauberen Hausflur sein mag.
    »Ich habe mein letztes Hemd hergegeben, um deine Adresse ausfindig zu machen«, sage ich und Sarah nickt abwesend. Ich komme mir blöd vor und es ist keine leise Ahnung, sondern fies geronnene Gewissheit.
    Eine maulende Stimme aus dem Inneren der Wohnung verlangt barsch Auskunft: Wer das schon wieder sei, wird gefragt.
    Niemand, ruft Sarah über ihre Schulter.
    Danke sehr. Niemand hat sich mächtig ins Zeug gelegt, Blumen gekauft, sie aber dann im Vorgarten versteckt, weil Blumen doch irgendwie zu spießig gewesen wären. Niemand hat ferner drei verschiedene Mixtapes aufgenommen, deren erstes viel zu intim, weil zu balladesk, deren zweites zu kumpelhaft, da zu rocklastig war, deren drittes aber als Meilenstein maßgeschneiderter musikalischer Kommunikation in die Geschichte eingehen dürfte. Eine musikgewordene Kontaktanzeige, nur eben wesentlich subtiler.
    Ein Tape, das souverän die größten Hymnen unserer Zeit mit verstiegenen Songs gänzlich obskurer Bands mischt, ein Tape, das ganz selbstverständlich den musikalischen Bogen vom Lautenspiel John Dowlands bis zum Geschrammel der Beasts of Bourbon zu schlagen weiß. Ein Tape, das so recht auszudrücken versteht: »Schau, hier steht ein Mann von Geschmack und Verstand, und er ist gekommen, dich zu freien.«
    Niemand hat sich diese Mühe gemacht und niemand hat das verdammt gut hinbekommen.
    Niemand. Pah. Andererseits: Unter diesem Kampfnamen hat Odysseus weiland bei Polyphem ganz schön das Haus gerockt.
    Die Stimme aus dem Hintergrund zetert und lässt wissen, dass sie sich nicht all die Jahre krummgemacht habe, damit das Fräulein jetzt einen

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