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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bartel
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die Wand hinaufgestiegen sind, während ich angestrengt nicht in die Tiefe zu blicken versuche, obwohl Sarah mich wiederholt auf die fantastische Aussicht hinweist.
    »Ja, herrlich«, sage ich und bin peinlich darauf bedacht, meinen Blick oberhalb des Horizonts zu halten. Mir ist nicht wohl, mir ist flau, aber es muss ja sein.
    Die Dame hat Sarah im Auto gelassen und hüpft gemsenhaft auf dem schmalen Felssteg herum.
    Sie sei im Zirkus aufgewachsen, mutmaße ich. Nein, widerspricht die Gemse, ganz und gar nicht, fühlt sich aber, derart komplimentiert, zu neuen, noch waghalsigeren Sprüngen herausgefordert. Ein Geröll geht ab, reißt einige Brocken mit sich und rauscht als Kieslawine zu Tal.
    »Ups«, sagt Sarah und kichert. Ich schaue tapfer und todesverachtend.
    »Nicht so dein Fall?«, fragt sie, aber ich dementiere eisern und schiebe meine unübersehbare Vorsicht auf die Getränke in meinem Rucksack. Die sollten nicht durchgerüttelt werden, verkünde ich und Sarah nennt das eine gute Entscheidung.
    Ich trage ein Picknick auf dem Rücken. Ich habe es tagelang vorbereitet. Ursprünglich hatte ich Sekt und Erdbeeren erwogen, mich dann aber wegen der aufdringlich sexuellen Konnotation dieser Speisen für einige belgische Kirschbiere, einen Laib Bauernbrot und Butter entschieden. Deren implizierte Botschaft mag ebenfalls nicht ohne Reize sein, lässt aber ambivalentere Ausdeutungen zu, falls das Treffen in lediglich freundschaftlichen Bahnen verläuft. Die Fruchtgummischlümpfe habe ich wieder ausgepackt. Ein Picknick ironisch zu brechen schien mir bei näherer Betrachtung denn doch widerlich. Es ist eine Wissenschaft.
    Endlich ist der Aufstieg gelungen und wir lassen uns auf dem kleinen Plateau nieder. Es ist größer als angenommen und nach einer Weile kann ich dem Drängen der Gams nachgeben und ausgiebig zur Aussicht Stellung nehmen. Sie ist reichlich vorhanden. Es gibt einen Wald, einen Fluss, beiderseits eine Stadt und darüber einen Himmel, damit das Zeugs darunter nicht so verloren im Universum herumliegt.
    Alles ist, wie es soll, wenn man von der Höhe mal absieht. Aber auch die ist zu ertragen, wenn man sie im Sitzen verbringt. Außerdem türmen sich neue Herausforderungen. Ein Gespräch will in Gang gebracht werden. Kennengelernt soll sich werden. Charmant sein wird gemusst. Das Kirschbier tut Wirkung.
    Ihre Mutter sei gar nicht so, macht Sarah einen unerwartet profunden Anfang. Sie, Sarah, ziehe bloß in Kürze aus, in eine WG, und obwohl ihre Mutter stets verkündet habe, dass ihre Tochter möglichst bald auf eigenen Füßen stehen solle, werde es ebendieser Mutter nun doch schwer, da es wirklich anstehe. Wir waren immer zu zweit, sagt Sarah. Alleinerziehend. Ich nicke.
    Ich möchte nicht über meine Eltern reden. Das muss ich aber auch nicht, denn Sarah erzählt weiter.
    Sie mache ein freiwilliges soziales Jahr an einer GeBe-Schule und verdiene sich mit weiteren Betreuungsjobs noch ein wenig dazu. Georg-Friedrich habe ich ja schon kennengelernt.
    »Rashid auch«, füge ich hinzu.
    »Echt?«
    »Er hat mir deine Adresse gegeben.«
    »Der kleine Drecksack.«
    »Dafür musste ich mein T-Shirt rausrücken.«
    »Recht so.«
    Ich erzähle von meiner Zivistelle, von Horsti und den anderen, vom Superintendenten und dessen Rolle in Rashids Stuntshow.
    Sarah grinst und erzählt von Rashid. Sie mag ihn, das merkt man.
    Dann erläutert sie den häuslichen Zwist mit Muttern. Er ist ihr wichtig, mir aber vollkommen egal.
    Die Miete des Zimmers sei jetzt doch höher als zunächst veranschlagt, so dass sie ihre Mutter um Geld habe angehen müssen, worauf diese, wie eben beobachtet, vollkommen hysterisch reagiert habe, sodass mein Klingeln recht eigentlich im goldrichtigen Moment erfolgt sei.
    Timing, sage ich, Timing ist alles.
    Die beruhigt sich wieder, sagt Sarah, und wir schauen eine Weile ins Tal, unterschiedlichen Gedanken nachhängend.
    »Ich habe auch an dich denken müssen«, sagt Sarah irgendwann, und mein Herz springt in die Luft, schraubt sich drollig quiekend in den Himmel, rittbergert doppelt und dreifach, singt ein Tandaradei und lässt sich wieder in meine Brust plumpsen, dass es schmerzt. Ich bin derweil aber lieber sitzengeblieben, wegen des Abgrunds.
    Trotzdem schaue ich vollkommen ungerührt in die Tiefe, denn des Herzens närrische Blödigkeit macht mich für den Augenblick unverwundbar. Das muss genossen werden.
    Das Leben ist nicht bloß Tandaradei, haben meine Eltern gerne gesagt – und sie

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