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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bartel
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sonnigen Lenz schiebe.
    »Meine Mutter«, sagt Sarah entschuldigend.
    Ich schöpfe Hoffnung. Vielleicht war bloß das Timing schlecht.
    »Ist sie ein Drache? Ich könnte sie für dich töten«, ermanne ich mich, aber Sarah lehnt umgehend ab. Das ging zu weit, eventuell auch ganz daneben. Die Temperatur sinkt, die Stille brüllt, Kommunikationsabbruch dräut.
    »Warte mal!« sage ich, renne die Stufen hinab, reiße die Tür auf, ziehe den Blumenstrauß unter dem Rhododendron hervor und flutsche durch die Eingangstür, bevor sie wieder ins Schloss fallen kann.
    Atemlos stehe ich vor Sarah, immerhin ist sie noch da.
    »Für Ihre Frau Mutter«, sage ich und schaue wie ein Konfirmand. Sarah schaut entgeistert zurück, muss dann aber lachen.
    »Ach, scheiß drauf. Lass uns was erleben«, sagt sie und sieht zu einigem entschlossen aus. Welch kühne Wendung, welche Entschlusskraft. Vielleicht war das Timing doch nicht so schlecht.
    Ich halte Sarah den Wagenschlag auf, denn ich habe mir Tante Matthes’ Trabbi geliehen, obwohl ich mit der verfluchten, blinkerähnlichen Schaltung arge Probleme habe.
    Sarah klettert hinein, bewundert artig die schmucke Inneneinrichtung, die aus rotweiß karierten Gardinen, plüschenen Leopardenfellsitzen sowie einer Marienstatuette aus Plastik besteht, die sich an hohen Feiertagen sogar illuminieren lässt. Maria funkelt prächtig und dreht sich fortwährend um die eigene Achse, denn auch diese Fertigkeit haben ihr die verschwenderisch ingeniösen Billigelektroniker Chinas geschenkt, um den abendländischen Glauben zu befeuern bzw. den Automobilen nichtsnutziger Wohlstandsblagen den letzten ironischen Schliff zu geben. An dieser Stelle meinen allerherzlichsten Dank.
    Denn auch die Laune Sarahs befeuern Mariä Umdrehungen sichtlich. Umsomehr, als ich auch noch eine Dienstmannmütze aus dem Handschuhfach ziehe, aufsetze und die Dame im Fond nach ihrer präferierten Destination frage.
    Egal wohin? fragt die Dame.
    Bis ans Ende der Welt, sage ich. Was denn auch sonst.
    Es gebe da wohl einen Platz, sagt Sarah, den sie zu besuchen wünsche.
    Sehr wohl, antworte ich, starte das Gefährt, würge es zwei- bis dreimal ab, fädele mich dann aber in den Verkehr ein, bis Sarah ein Abbiegen nach links ordert.
    Doch wohin es gehen soll, mag sie nicht verraten. Wenn sie sich auch von einem Wildfremden den liebenden Armen ihrer Mutter habe entreißen lassen, so werde sie doch nicht ohne Not jedem hergelaufenen Dienstmann ihre intimsten Geheimnisse preisgeben, wo käme man denn da hin.
    Ja, genau, wo kommt man denn hin?, frage ich, aber die Dame lächelt bloß vielsagend in den Rückspiegel und fragt dieses und jenes zu Gefährt und Fahrer, worauf ich dieses und jenes antworte. Und derart wohlerzogen plänkelt unser Gespräch vor sich hin, bis wir den drallen Speckgürtel unserer Stadt verlassen haben. Dahinter waldet es ganz behaglich und verwitterte Basaltbrocken künden vom nahen Höhenzug, der das Flusstal umsteht. Ich zeige mich erfreut über so viel Landschaft und Sarah kommentiert nicht ohne Kennerschaft Gehöfte, Haine und andere Landmarken. Ist Mademoiselle gar Naturbursche, verlange ich zu wissen, aber die verbittet sich energisch solche Vertraulichkeit und strengt ein Gespräch über Wetter, Politik und Miszellen an.
    Es ist albern und es ist schön. Sarah spielt Dame und ich spiele abwechselnd Mann von Welt und eilfertigen Dienstmann, bis die Fremdheit überwunden ist und wir voreinander als verschworene Komplizen einer Landpartie durchgehen.
    Schließlich dirigiert sie mich zu einem Parkplatz, heißt mich anhalten und verkündet ihre Wünsche.
    Das Mädchen möchte bergsteigen. Im Basaltbruch. Dort sei es schön. Ich indes verfüge über ein wenig Höhenangst. Wenn es arg hoch wird, verfüge ich sogar über recht ansehnliche Höhenangst.
    Es ist dies aber kein guter Zeitpunkt für Höhenangst. Ein Lieblingsplatz soll mir gezeigt werden und wird mit kühner Geste hoch in der Wand verortet. Dort will das Mädchen mit mir hinauf. Der Lieblingsplatz liegt wie ein Adlerhorst auf einer Felsnase, die der Basaltwand vorgelagert ist. Vielleicht ist er sogar ein Adlerhorst, klein genug wäre er jedenfalls.
    Ich begrüße Sarahs Vorschlag dennoch enthusiastisch und mache mich zum schweren Gang bereit, wenngleich ich mir fest vornehme, diesmal nirgendwo hinunterzuspringen.
    Die Felsnase ist nur über einen schmalen Sattel zu erreichen, den wir uns zu betreten anschicken, nachdem wir über einen schmalen Pfad

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