Betrogen
Verzweiflung ergriff Candace die Hand ihres Mannes. »Falls er gewusst hat, wo Anthony ist, ist dieses Wissen mit ihm gestorben.«
»Nicht unbedingt«, meinte Chief finster. »Der Schlüssel zu diesem Rätsel liegt in der Klinik.«
»Was soll das heiÃen?«
»Woher wissen Sie das?«
Verblüfft schaute Melina ihn an.
»Tony«, sagte Chief, »bitte stellen Sie den Ton am Fernseher wieder an. Das müssen wir unbedingt hören.«
Anderson griff nach der Fernbedienung. Mitten im Satz ertönte eine Stimme aus dem Off: »⦠Leiche wurde heute Abend gefunden, als sie nicht zum wöchentlichen Bridge mit ihren Freundinnen erschien.« Tränenüberströmt plapperte eine Frau etwas in ein Mikrofon, das man ihr unter die Nase hielt: »Sie war immer dabei. Als sie heute Abend nicht aufgetaucht ist, wussten wir, dass etwas nicht stimmt. Wir sind hinüber und haben sie gefunden.«
Die Reporterin wandte sich wieder zur Kamera und berichtete, dass es bisher noch kein Mordmotiv gäbe. »Die Ermittler der Mordkommission haben gesagt, das Opfer sei erschlagen worden, vermutlich mit dem ganz normalen Hammer, den man neben ihrer Leiche gefunden hat.«
Die Kamera blendete die Nahaufnahme vom Gesicht der Reporterin aus und zog stattdessen auf, so dass man die Vorgänge im Hintergrund erkennen konnte. Gerade wurde eine Bahre, auf der ein Leichensack lag, zu einem Krankenwagen gerollt. »Die Polizei ermittelt noch und verhört die Nachbarn. Leider will niemand etwas gesehen habenâ¦Â«
Plötzlich schnappte Melina nach Luft. Nun sah auch sie, was Chief auf diese Story aufmerksam gemacht hatte â ein Haus wie bei Schneewittchen. Linda Crofts Häuschen mit den Sprossenfenstern und der Rundbogentür.
Auf Melinas Gesicht wechselten Entsetzen und Nicht-Glauben-Wollen einander ab, als sie sich ihm zuwandte. Die Tränen, die in ihren Augen glänzten, waren Tränen der Empörung gewichen. »Diese Monster!«
Er sprang auf, ergriff ihre Hand, zog sie hoch und sagte zu
den Andersons: »Sie kennen uns nicht. Vielleicht halten Sie uns für zwei Wirrköpfe, aber das sind wir nicht, ich versichere es Ihnen. Dieses Mordopfer â«, sagte er, wobei er auf den Bildschirm deutete. »Wir haben sie heute besucht. Sie hat in der Waters Klinik gearbeitet. Sie hat mit ihrem Berufsethos gebrochen und uns gesagt, wo wir Sie finden. Irgendjemand wollte nicht, dass wir zusammenkommen und unser Wissen austauschen.«
Candace presste die Finger auf ihre blutleeren Lippen. »Das heiÃt, Dale Gordon ist erst der Anfang.«
Chief nickte entschieden. »Der eigentliche Drahtzieher hinter allem ist mächtiger als dieser jämmerliche Perverse. Ich empfehle Ihnen, noch heute Abend zu verschwinden. Nehmen Sie Ihren Hund und gehen Sie fort.«
»Und was ist mit der Polizei?«, wollte Candace wissen. »Sollten wir nicht dort anrufen? Und auch das FBI verständigen?«
»Gute Idee, aber ich würde es von einer anderen Stelle aus tun. Agent Tobias kommt â«
»Der aus Washington? Wir kennen ihn«, meinte Tony. »Er hat uns einmal befragt.«
»Dann würden Sie ihn also wiedererkennen?«
»Sicher. Ein gut aussehender Mann.«
»Gut.« Er lieferte ihnen eine Zusammenfassung dessen, was am Morgen in Melinas Haus passiert war.
»Tony?« Ãngstlich umklammerte Candace den Arm ihres Mannes.
Aber der war längst überzeugt. Er begab sich zu einem Schreibtisch auf der anderen Zimmerseite, kritzelte etwas auf einen gelben Zettel, riss ihn vom Block und reichte ihn dann Chief. »Meine Handynummer, die sonst nur noch Candace kennt. Wir werden es überall hin mitnehmen. Halten Sie uns auf dem Laufenden.«
Er ergriff Chiefs Hand und schüttelte sie, aber seine Augen ruhten auf Melina, als er sagte: »Sollten Sie irgendetwas über
unseren Sohn in Erfahrung bringen, egal was und wie schlimm es ist, möchten wir es unbedingt wissen.«
»Das verspreche ich Ihnen.«
Â
Kaum waren sie wieder im Auto unterwegs, sagte Chief: »Gott sei Dank haben sie uns so weit vertraut, dass sie Fersengeld geben. Mir haben die beiden gefallen.«
»Mir auch, sogar sehr. Aber ich habe auch Linda Croft gemocht. Warum haben wir sie nicht vor einer möglichen Gefahr gewarnt?« Schluchzend legte sie das Gesicht in die Hände. »Oh Gott, Chief, wir haben sie umgebracht.«
»Das
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