Betrogen
»Es wird eine Zeit kommen â bald, prophezeie ich â, in der Sie uns brauchen werden, Colonel Hart.«
»Christopher Hart?«
Als sein Name fiel, drehte sich Chief um. Wenige Zentimeter vor seiner Nase zückte ein Mann, der an einen massigen Baumstumpf erinnerte, seine Dienstmarke. »Senior Corporal Lawson, Kriminalpolizei Dallas, Mordkommission.«
Longtree lieà Chiefs Hand los, der es kaum bemerkte. Beim Umdrehen hatte er einen Autogrammjäger erwartet, jemanden, der ihn beim Frühstück entdeckt und erkannt hatte. Die Morgenausgabe der Dallas Morning News hatte einen Artikel über das Bankett von gestern Abend gebracht, dazu ein Foto von ihm, das man während seiner Dankesrede aufgenommen hatte.
Aber der untersetzte Zivilbeamte machte nicht den Eindruck, als sei er ein Fan. Er lächelte nicht einmal. Genauso wenig wie die beiden Polizisten in Uniform, die ihn flankierten.
Der Oberkellner trat neben Chief. »Ich bedauere zutiefst, Colonel Hart. Ich hatte vorgeschlagen, er solle mich Sie aus dem Restaurant holen lassen, aber er â«
»Ist schon gut.« Chief hob die Hand, um die überschwängliche Entschuldigung zu bremsen. Zu dem Kommissar sagte er: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Davon bin ich überzeugt.«
Ich hätte wirklich noch einen Schluck Kaffee trinken sollen, dachte Chief. Er hätte einen weiteren Koffeinstoà dringend gebrauchen können. In seinem Kopf ging es immer noch drunter und drüber. Obwohl er am Abend vorher nur einen einzigen Bourbon getrunken hatte, fühlte er sich verkatert. Kam wahrscheinlich von zu wenig Schlaf und zu viel Sex. Na ja,
richtig besehen war es nicht zu viel gewesen. Eher das Gegenteil.
»Entschuldigung, sagten Sie Mordkommission?«
»Ganz genau.«
»Sind Sie sicher, dass Sie den Richtigen vor sich haben?«
»Sind Sie der Astronaut?«
»Ja.«
»Dann habe ich den Richtigen. Ich brauche Ihre Antwort auf ein paar Fragen.«
»Sicher. Worum gehtâs denn?«
»Um den Mord an Gillian Lloyd.«
Unfreiwillig entfuhr Chief ein kurzes Lachen. Also das warâs! Ein übler Streich. Diese Kerle!
Seine Blicke schweiften über die besetzten Tische des Restaurants. Alle anderen Gäste hatten zu essen aufgehört und starrten sie an, aber keines der Gesichter war ihm bekannt. Trotzdem würden die Verantwortlichen für diese Charade bald auftauchen, würden hinter Möbeln und Topfpalmen hervorspringen, sich schief lachen und dabei seinen dummen Gesichtsausdruck nachäffen.
Wie damals an diesem Sonntagnachmittag vor zwei Jahren: Er war allein zu Hause gewesen und hatte sich in aller Ruhe ein NFC-Meisterschaftsspiel zwischen Dallas und San Francisco angesehen. Steve Young hatte gerade im dritten Viertel einen fünfzig Yard Touchdown-Pass geworfen, da klingelte es an Chiefs Tür.
Auf seiner Schwelle stand eine hochschwangere Frau, die er noch nie gesehen hatte, in Begleitung eines Polizisten, der gröÃer und fieser wirkte als alle Angreifer in dem Spiel, das gerade lief.
Die Frau fing zu kreischen an und bezichtigte ihn entsetzlicher Dinge. Mit einer Stimme, die Glas zum Platzen gebracht hätte, behauptete sie, Christopher Hart habe sie auf einer Party vor acht Monaten vergewaltigt. Er habe ihr ein Schlafpulver in den Drink gemischt, sie mit Gewalt genommen und dabei mit
einer Geschlechtskrankheit angesteckt. AnschlieÃend habe er sie schwanger und verstört sitzen lassen und gedroht, sie umzubringen, wenn sie ihn als das anzeigte, was er war: ein sexueller Wüstling.
Ihre Schmährede dauerte bereits geschlagene zwei Minuten, ehe Chief seine Stimme wiederfand und an das hässliche Monster appellierte, das mit einem noch hässlicheren Schlagstock herumfuchtelte. Er behauptete, er hätte diese Frau noch nie in seinem Leben gesehen und keine Ahnung, welchen Blödsinn sie redete.
Aber als sie ihn weiter mit üblen Anschuldigungen bombardierte, die mit äuÃerst intimen Kenntnissen seiner Person und seiner Physis gespickt waren, begann er allmählich, an seinen eigenen Unschuldsbeteuerungen zu zweifeln.
SchlieÃlich riss sie zu seinem Entsetzen ihr Kleid von oben bis unten auf. Heraus fielen das Kissen, mit dem sie die Schwangere gemimt hatte, und zwei üppige Titten. Auf der einen war »Alles Gute« eintätowiert und auf der anderen »Zum Geburtstag«. Dann winkte sie fröhlich und rief:
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