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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Trivers
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gleicher Zahl vorhanden sind.
    Die Geschlechter werden ihrerseits auf der Grundlage ihres relativen Beitrages zu den elterlichen Investitionen beschrieben. Weibchen produzieren Eizellen, deren Zahl wegen des dafür erforderlichen hohen Aufwandes streng begrenzt ist. Männchen erzeugen so billige Samenzellen, dass 100 Millionen von ihnen in der Regel noch nicht einmal ein Gramm wiegen, und ein ruhender Mann kann diese Zahl in weniger als einer Stunde produzieren. Kommen weitere Investitionen hinzu, dann in der Regel von der weiblichen Seite, so dass die mütterliche Investition normalerweise die väterliche übertrifft. Das gilt sogar bei unserer eigenen Spezies, in der auch die Väter häufig einen beträchtlichen Beitrag leisten.
    Seit vielen Millionen Generationen muss die genetische Qualität der Männchen der Hauptgegenstand männlicher Täuschung gewesen sein, denn Männchen haben außer ihren Genen nichts zu bieten. Man glaubt, dass die Partnerwahl durch die Weibchen immer wieder verlässliche Anzeichen für männliche Qualität begünstigt hat, die nur schwer zu simulieren sind – etwa Größe, Symmetrie, leuchtende Farben oder komplexe Gesänge. Bei der Paarung mit solchen Männchen entstehen in der Regel genetisch überlegene Nachkommen. Manchmal sind qualitativ hochwertige Männchen vorübergehend knapp, und die Weibchen könnten von der Selektion so gestaltet worden sein, dass sie ihre Fruchtbarkeit zur Schau stellen, um schnell einen Partner anzulocken.
    Natürlich kann man fast jedes Merkmal zur Schau stellen oder verbergen. Früher glaubte ich, ein symmetrischer Körperbau sei (beispielsweise bei Pflanzen, Insekten, Vögeln, Säugetieren und so weiter) nicht nur deshalb ein Kennzeichen für genetische Qualität, weil er einen guten Maßstab darstellt, sondern auch weil er unmöglich nachzuahmen sei. Dann aber belehrte mich der Blaue Sonnenbarsch eines Besseren. 2 Die Männchen dieser Fischart sind auf beiden Körperseiten leuchtend gefärbt und schwimmen im typischen Fall hin und her, um beide Seiten zur Schau zu stellen. Manche asymmetrischen Männchen jedoch schwimmen so, dass sie immer nur eine – die stärker gefärbte – Seite zeigen. Wahrscheinlich sind nur die wenigsten Weibchen so dumm, diese »Einseitigkeit« nicht zu bemerken, aber sie wissen nicht, wie stark die Asymmetrie ausgeprägt ist, sondern nur, dass das Männchen etwas zu verbergen hat. Solche Männchen haben nicht so viel Erfolg wie die beidseitig gefärbten Artgenossen, aber wenn sie beide Seiten präsentieren würden, erginge es ihnen möglicherweise noch schlechter.
    Wie wichtig das Prinzip im Alltagsleben ist, wurde mir zum ersten Mal klar, als ich mich mit einer jungen Studentin unterhielt, die ein bemerkenswert attraktives Gesicht hatte; jedes Mal, wenn sie mich möglichst stark beeindrucken wollte, drehte sie sich so, dass ich beide Seiten gleich gut sehen konnte, und dann schenkte sie mir ein betörendes Lächeln. Damit erzielte sie eine starke Wirkung. Auch wir anderen entscheiden offenbar, unbewusst und manchmal auch bewusst, wie oft wir unsere beiden Seiten zeigen, wobei wir der attraktiveren Seite den Vorzug geben und Asymmetrien verbergen.
    Bis hierher könnte man nun glauben, wissenschaftliche Arbeiten hätten im Hinblick auf Täuschung und Selbsttäuschung eine Reihe allgemeiner Unterschiede zwischen den Geschlechtern nachgewiesen. Ich würde damit rechnen, dass Frauen besser in der Lage sind, Männer zu durchschauen, als umgekehrt, weil sie mehr zwischenmenschliche Erfahrungen haben und mehr Zeit auf zwischenmenschliche Interaktionen verwenden; außerdem würde ich damit rechnen, dass Männer stärker der Selbsttäuschung unterliegen als Frauen – sie haben mehr Gelegenheiten, von Selbstaufblähung und übermäßigem Selbstvertrauen zu profitieren. Ich glaube, dass Frauen die Enttäuschung in ihren Beziehungen eingehender studieren als Männer – Selbsttäuschung ist dabei natürlich immer ein anderes Thema. Ich werde nie vergessen, wie verletzlich ich mich fühlte, als mir klar wurde, dass die Frau, die ich 18 Monate zuvor geheiratet hatte, mich bei einer Reihe von Lügen ertappt hatte, ohne es mir zu sagen. Sie führte Buch über meine Verhaltensweisen, um es später gegen mich zu verwenden. Ich fühlte mich fast betrogen. Mit meinem schlichten Gemüt neige ich dazu, jemanden gleich beim ersten Mal damit zu konfrontieren, dass er mich anlügt (es sei denn, es gibt ein Dominanzproblem).
    Ich habe keine

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