Betrug und Selbstbetrug
können.
Genau diese Form der Voreingenommenheit wurde in einem Experiment gemessen: Versuchspersonen wurden mit der Möglichkeit konfrontiert, dass sie für eine schwere Krankheit anfällig seien, und man sagte ihnen, man könne mit einem einfachen Test feststellen, ob für sie eine Gefahr bestehe. 2 Wenn sie einen Teststreifen mit ihrem Speichel benetzten und der Streifen die Farbe änderte, sollte dies entweder auf eine Gefährdung hinweisen oder auch nicht (je nach der Gruppe im Experiment). Wenn die Versuchspersonen glaubten, eine Farbveränderung sei ein gutes Zeichen, betrachteten sie den Teststreifen um 60 Prozent länger als jene, die den Wechsel für ein schlechtes Zeichen hielten (in Wirklichkeit veränderte sich die Farbe des Streifens überhaupt nicht). In einem anderen Experiment hörten sich die Versuchspersonen eine Bandaufzeichnung an, in der die Gefahren des Rauchens beschrieben wurden, und sie wurden aufgefordert, auf den Inhalt zu achten. Im Raum waren aber auch Hintergrundgeräusche zu hören, und die Versuchspersonen hatten die Möglichkeit, deren Lautstärke zu verringern. Raucher drosselten die Lautstärke der Hintergrundgeräusche nicht, Nichtraucher dagegen drehten den Regler zurück, um den Text besser zu verstehen.
Manche Menschen vermeiden es, sich einem HIV -Test und anderen diagnostischen Untersuchungen zu unterziehen, weil sie schlechte Nachrichten lieber nicht hören wollen. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.« Erwartungsgemäß geschieht dies besonders häufig, wenn sich an dem Zustand ohnehin kaum etwas oder gar nichts ändern lässt. Ebenso ist es nicht verwunderlich, dass diejenigen, die sich selbst sicherer fühlen, eher bereit sind, negative Informationen in Betracht zu ziehen. Kurz gesagt, vermeiden wir es ganz gezielt, negative Informationen über uns selbst in Erfahrung zu bringen, insbesondere wenn diese nicht zu nützlichen Gegenmaßnahmen führen können und wenn wir uns auch ansonsten unsicher fühlen. Die Selbsttäuschung steht hier im Dienst der Aufrechterhaltung und Projektion eines positiven Selbstbildes.
In vielen Situationen können wir selbst entscheiden, worauf wir uns konzentrieren. Auf einer Cocktailparty können wir bei zwei Gesprächen mithören. Je nachdem, welche Ansichten uns lieber sind, beteiligen wir uns vielleicht an der einen Unterhaltung, nicht aber an der anderen. Den allgemeinen Tenor der Informationen, denen wir aus dem Weg gehen, bekommen wir dabei wahrscheinlich mit, die Details aber nicht; auch hier setzen also Prozesse der einseitigen Informationsbeschaffung so frühzeitig ein, dass keine Information übrig bleibt, die wir später verbergen müssten. In einem Experiment waren die Versuchspersonen überzeugt, dass sie höchstwahrscheinlich – oder höchstwahrscheinlich nicht – für ein potentielles Rendezvous ausgewählt wurden. Wenn sie mit dem Treffen rechneten, studierten sie die positiven Eigenschaften des voraussichtlichen Partners geringfügig länger als die negativen, rechneten sie jedoch nicht damit, verbrachten sie mehr Zeit mit der Prüfung der negativen Seiten, als würden sie die bevorstehende Enttäuschung bereits rationalisieren.
Einseitige Codierung und Interpretation
von Informationen
Selbst wenn wir auf eintreffende Informationen achten, können wir dies immer noch einseitig tun. Dazu wurde das folgende Experiment gemacht: Für einen angeblichen Geschmackstest wurden den Versuchspersonen ein frisch gepresster Orangensaft und ein widerlich aussehender und schlecht riechender Gemüsesaft gezeigt und gesagt, der Computer würde ihnen vorgeben, welches der beiden Getränke sie kosten sollten: und zwar einen Buchstaben für den Orangensaft, eine Zahl für den Gemüsesaft (bzw. umgekehrt für die Vergleichsgruppe). Tatsächlich erschien auf dem Bildschirm nur ein zweideutiges Zeichen, das sowohl ein großes B als auch die Zahl 13 darstellen konnte. 3 Die Versuchspersonen zeigten eine stark einseitige Wahrnehmung in Richtung des mit dem bevorzugten Getränk verbundenen Reizes, selbst wenn das zweideutige Zeichen nur 400 Millisekunden lang zu sehen war, das heißt so lange, dass es gerade eben ins Bewusstsein dringen konnte. Auch die Verfolgung der Blickrichtung zu Anfang des Experiments ergab, dass der erste Blick in der Regel (ungefähr 60 Prozent) in Richtung des bevorzugten Getränks ging. Solche Studien lassen darauf schließen, dass die Auswirkungen der Motivation auf die Informationsverarbeitung sich auch
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