Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
keine Vermisstenanzeige aufgegeben.«
»Dann gebe ich halt jetzt eine auf!«
»Die kann ich jetzt leider nicht aufnehmen, dazu müsste ich ins Büro vom Bürgermeister, und der ist im Urlaub.«
»Aber, wenn der Bürgermeister nicht da ist, wer hat dann die Polizeigewalt?«
»Na ich. Also halt für alles, wo ich nicht in sein Büro muss.«
Ich setze mich schnell wieder hin und klemme die Hände unter den Hintern, um zu vermeiden, dass ich den Janni wieder anspringe, und überlege, warum der Kerl sich so querstellt.
»Du denkst immer noch, sie ist in den Süden gefahren, oder?«
»Ja, scho.«
»Wäre es nicht deine Pflicht als Polizist, herauszufinden, wo genau sie da hingefahren ist?«
Janni zuckt mit den Schultern und schmirgelt ein bisschen auf einem Bootsrumpf herum, auf dem eine ZEFIX-Schablone klebt.
»Das kann der Bürgermeister machen, wenn er aus dem Urlaub wieder da ist, der kennt sich besser aus. Ich muss hier noch einen Haufen Boote fertig machen, bis die Leute aus der Winterpause wiederkommen.«
Ich habe mich wirklich angestrengt, aber ich kann mich einfach nicht beherrschen. »Ihr macht mich alle wahnsinnig!«, explodiere ich jetzt doch.
Der Janni nimmt vorsichtshalber wieder seine Farbpistole in die Hand und legt den Finger auf den Abzug.
»Dann fahr ich halt allein ins Krankenhaus!«
»Mei, aber des mit dem Fahren, das könnt schwer werden!« Janni lädt die Farbpistole mit einem roten Fläschchen und sprüht sorgfältig an einer Bootseite herum.
»Warum?«
»Weil, also, was hast denn für ein Auto?«
»Einen Porsche!«
»Neunhundertelf, Carrera Cabrio, rot?«
»Ja!«
»Münchner Kennzeichen?«
»Ja-ha!«
»Mei«, druckst der Janni herum, »den hamma heut früh abgschleppt.«
Ich verstehe kein Wort. »Abgeschleppt?«
»Ja, die Bäckerin hat mich angerufen und gesagt, dass der jetzt den dritten Tag auf ihrem gebührenpflichtigen Privatparkplatz steht und keiner was zahlt hat, und somit hat sie das Recht, das Auto entfernen zu lassen.«
»Und wohin habt ihr ihn abgeschleppt?«
»Rosenheim. Kfz-Verwahrstelle. Hat allerdings am Sonntag geschlossen.«
»Aha«, mache ich und starre Janni an, »dafür hast du schon die Polizeigewalt?«
»Ja, Haserl, dafür muss ich ja nicht ins Büro«, verteidigt er sich und verschwindet im Farbnebel.
Ich höre noch Jannis verdruckstes »Sefferl, du kannst halt hier dein Auto nicht überall da hinstellen, wo du willst. Des darfst jetzt nicht persönlich nehmen!«, bevor ich langsam rückwärts aus der Werkstatt gehe, die Hände zwecks Aggressionskontrolle so fest verschränkt, dass die Fingerknöchel weiß werden.
Der Sturm draußen hat keinen Deut nachgelassen. Während ich auf den Dampfer nach Prien warte, fährt er mir in den Kragen und den Rücken entlang. Es wird hier wirklich von Minute zu Minute ungemütlicher.
»Doktor Brüderle? Einen Moment bitte.«
Frau Haslinger von der Rezeption sitzt an einer lang geschwungenen Marmortheke, und auf ihrem Bildschirm thront eine ansehnliche Anzahl Marienkäferchen in allen Größen, aus Schokolade, Plastik oder Keramik, die sie dort schön säuberlich festgeklebt hat.
»Sammeln Sie Marienkäfer, Frau Haslinger?«, frage ich sonnig.
»Mei, Sie sind eine ganz eine Schlaue, gell? Die Frau Doktor Brüderle hat heute Dienst auf Station zwei. Wen darf ich melden?«
»Schlagbauer. Josepha Schlagbauer.«
»Schlagbauer?«
Frau Haslinger ruckt den Kopf weg vom Bildschirm, hebt sich ein wenig aus ihrem Drehstuhl und sieht mich prüfend an.
»Ah, sind Sie jetzt doch gekommen? In die Heimat, gell? Also, man sieht auf jeden Fall, dass Sie von hier aus der Gegend kommen«, sagt sie und schaut mich prüfend in der Körpermitte an. Dann steht sie auf und zeigt Richtung Aufzug.
»Da rein und hoch, zweiter Stock.«
»Moment«, sage ich kurz vor dem Aufzug und kehre noch einmal um und halte der Haslinger mein Telefon hin.
»Können Sie sich zufällig an diesen Mann erinnern? Der war vielleicht vor ein paar Wochen hier, um meine Tante zu besuchen. Bergmann heißt er. Einen großen Blumenstrauß muss er dabeigehabt haben.«
»Zeigens einmal her«, meint die Haslinger und schiebt sich die Brille dichter an die Nase. »Blumenstrauß? Ja, jetzt wo Sie’s sagen! Genau! Ja, den hab ich sogar ausrufen lassen, weil er nämlich seinen Mercedes in der Anfahrtszone vom Krankenwagen geparkt hat! Und als Entschuldigung hat er gesagt, er hätte so schnell ins Haus müssen, damit ihm die Blumen in der Kälte nicht
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