Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
dass du nicht hier bist, es würde mich interessieren, was du zu dem Haus meiner Tante sagen würdest. Ich hätte es nämlich beinahe geerbt.«
»Geerbt?« Oliver ist gerade dabei, eine Flasche Budweiser an den Mund zu führen, und hält mittendrin inne.
»Ja, aber nur beinahe. Wie gesagt, im Moment ist es kurz davor, an einen Finanzberater zu gehen, der einiges dafür tut, dass das eher heute als morgen der Fall sein wird.«
»Aber«, meint Oliver jetzt aufmerksam und kommt so nahe an die Webcam, dass ich mir fast einbilde, sein Rasierwasser riechen zu können, »hast du da nicht die älteren Rechte?«
»Nein«, erkläre ich eifrig, »es heißt ja Letzter Wille und nicht Vorletzter Wille.«
»Aha«, macht Oliver, »und dieser Finanzfritze – wie heißt der noch mal?«
»Bergmann. BergmannPortfolio , Salzburg, München, Westerland«, antworte ich und freue mich über Olivers plötzliches Interesse.
»Und wieso interessiert sich so ein moneymaker für den alten Schuppen deines Tantchens?«
»Das ist kein Schuppen. Eher eine alte Villa«, verteidige ich Tante Caros Haus. »Es ist jetzt alles nicht ganz neu, aber groß. Guck hier …« Ich nehme den Computer hoch und schleppe ihn samt Webcam quer durch die Küche, »… die Lampe musst du dir wegdenken, aber hier hat es alte Holzbalken, und die Küche ist richtig groß, und der Garten geht runter bis zum See. Und hier, die Speisekammer …«
»Schon gut, schon gut, wir sind hier nicht bei Schöner Wohnen «, winkt Oliver ab, »sag mir einfach nur, wie viel Wohnfläche, Nutzfläche, et cetera et cetera.«
»Nun, ich weiß nicht, zweihundert Quadratmeter? Es war ja mal eine Pension, weißt du. Und der Garten, der ist nicht sehr groß, aber für die Fraueninsel schon, weil hier einfach nicht so viel Platz ist. Also, sagen wir mal sechshundert Quadratmeter Nutzfläche?«
Oliver hat den Kopf gesenkt und tippt etwas in seinen Computer.
»Eineinhalb!«, schreit er dann auf.
»Wie, eineinhalb?«
»Millionen! Ich habe die Daten einfach in den Immorechner eingegeben. Hast du einen Bootsanlegeplatz?«
»Nicht ich, sondern Tante Caro«, verbessere ich ihn, »aber ja, es gibt einen Bootsanlegeplatz. Den teilt sie sich allerdings mit dem Nachbarn, dem Schmied, der …«
»Noch besser. Eins Komma sechs Millionen! I like «, ruft Oliver und will anscheinend noch mehr dazu sagen. Aber dann wirft er einen Blick auf seine Rolex und zuckt zusammen.
»Joe, ich muss auflegen, Lila kann jeden Moment vom Arzt zurück sein.«
Er streckt die Hand aus, um den Bildschirm zu schließen, und ich probiere in Anbetracht meiner aufwallenden Gefühle einfach mal etwas Neues aus. Ich räuspere mich und rufe mit nicht ganz fester Stimme: »Ich liebe dich.«
»Wie bitte?«, fragt Oliver, die Finger schon am Laptop.
»Ich liebe dich!«, rufe ich lauter, aber Oliver hört mich nicht mehr, das Fenster mit seinem Gesicht verschwindet. Stille. Ich habe nur noch das überlaute Klopfen meines eigenen Herzens in den Ohren, weil es mich viel Kraft gekostet hat, diese drei Worte auszusprechen. Eine Aufregung, die ich mir hätte sparen können, denn wer weiß, ob dieser Mann sich für mich jemals scheiden lassen wird. Und dann? Werde ich weiter für ihn arbeiten können und wollen? Und was ist mit meiner Reise? Und dem Penthouse? Und dem Porsche? Langsam lasse ich den Kopf auf die Tischplatte sinken und fühle mich müde und mutlos. Mehr denn je habe ich das Gefühl, dass diese blöde Insel mir kein Glück bringt.
»Mal eben an die frische Luft gehen« gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber ich habe so ein Stechen im Kopf, als würde mir Jannis Farbdampf immer noch in der Nase hängen, und wie soll man sich hier sonst die Zeit vertreiben? Und frisch ist die Luft, frisch, wie ein nasskalter Ostwind eben sein kann. Der Himmel ist anthrazitfarben, mit einer goldenen Borte, wo er in die Konturen der Herreninsel übergeht, die Reflexion der Abendsonne auf den Wellen in kleine goldene Wölkchen zerrupft. Obwohl der Wind an mir zerrt wie ein freches Kind, das mich ins Wasser schubsen will, setze ich mich ans äußerste Ende des langen Klosterstegs, lasse die Füße baumeln, bis die Gischt sie fast erreicht, und denke nach. Ich versuche mir eine Zukunft ohne Oliver vorzustellen. Und ohne Autos. Aber hier, so unmittelbar zwischen Wind und Wasser, fällt es mir schwer, mir überhaupt irgendetwas vorzustellen, was mit einem Leben auf dem Festland zu tun hat. Nach ein paar Minuten stehe ich
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