Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
auf, keinen Deut schlauer als vorher. Ich breite die Arme kurz im Wind aus, schließe die Augen und fühle mich trotzdem erfrischt wie nach fünf Tassen Kaffee.
»Servus Boni!«, begrüße ich den alten Sonnfischer, als ich an seinem Garten vorbeigehe. »Der bläst ja immer noch ganz ordentlich, der Ostwind.«
»Ja ja, jetzt ist der Sommer schon lang vorbei«, nickt er zurück. »Wem’s jetzt auf der Insel gefällt, dem gefällt es immer!«
»Ja, genau«, pflichte ich dem Boni bei, kicke einen Kieselstein weg und muss wider Willen lachen, weil ich allen Ernstes gerade übers Wetter geredet habe.
Das Lachen vergeht mir allerdings, als ich die dicken schwarzen Wolken sehe, die aus dem Schornstein des Seeblicks kommen. War das vorher schon so? Ist das normal? Ich schließe die Haustür auf, und ein funzeliger Geruch nach Diesel strömt mir entgegen, der mir beinahe den Magen umdreht. Ich laufe in den Keller hinunter, aus dem mir Russflocken entgegenschweben wie schwarze Federn.
»Basti!«, schreie ich, als ich die dicke Qualmwolke sehe, die aus dem alten Ölbrenner quillt. »Basti, hilf mir!«
»Den hat’s zerrissen!«, meint der Schmied eine halbe Stunde später fachmännisch und wischt sich die Hände an seiner Lederschürze ab.
»Aber wie kann das sein, gerade eben war die Heizung ja noch in Ordnung!«
»Ja mei, diese alten Brenner sind manchmal recht sensibel. Ein Umschwung, und schon geht nichts mehr!«
Ich schaue mich verzweifelt um. »Was soll ich denn jetzt machen? Ohne Heizung, bei so einem Sauwetter!«
»Mei, nutzt ja nichts, dann kommst halt mit«, brummt Basti und schaut wenig erfreut. Ich dackle ihm erschöpft hinterher und finde, dass es jetzt langsam genug ist an Schlamassel für einen einzigen Tag. Ich muss richtig Gas geben, damit ich dem Schmied hinterherkomme, eine Holztreppe hoch, die an der Außenmauer des Sterzinger-Hauses entlangführt.
»Wer ist eigentlich …«, hebe ich an, weil mir der Name unter dem Frauentorso einfällt, und breche ab.
»Wer ist was?«
»Ach, nichts.« Ich verkneife mir die Frage nach dieser Simone lieber. Ist mir ja auch egal, mit welchen Frauen der Inselgorilla zu tun gehabt haben mag in seinem Leben. Unter dem Dach zieht sich eine Galerie entlang, die einmal rundherum führt und in die zwei Zimmer gebaut sind. Die Dachziegel auf der Seeseite sind in Teilen durch große Glasflächen ersetzt, sodass man direkt in den Himmel sehen kann. Weil es draußen schon längst stockfinster ist, sehe ich nur mein müdes, ungeschminktes Gesicht mit den platinblonden Haaren, als ich den Kopf in den Nacken lege, und schaue schnell wieder weg.
»Basti«, rufe ich verzagt, »wo bist du?«
»Hier«, kommt seine Stimme von irgendwoher.
»Ich kann nicht mehr«, rufe ich. Und dann fange ich an zu weinen.
»War ein bisserl viel heute, hm?«, grummelt Basti, wirft mir eine Rotkreuzdecke und die Hülle einer DVD zu, und ich wische mir schnell die Tränen wieder ab. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich jetzt in dieser Bärenhöhle guten Gewissens entspannen kann. Denn sollte der Abend so enden wie mit Janni – gegen den Schmied werde ich definitiv nicht ankommen. Basti taucht wieder neben mir auf, lautlos, weil er seine Holzschlappen vor der Tür stehen hat lassen und jetzt auf seinen Filzsocken herumschleicht wie ein Geheimagent.
»Da. Der wird bei mir bloß schlecht«, sagt er und schießt einen Champagnerkorken in die Luft, der nach etlichen Sekunden unten auf dem Werkstattboden aufschlägt. Dazu stellt er mir eine Blechtasse hin. »Oder magst du lieber Wasser zu deinem Schnitzel?«
Ich werfe ihm einen misstrauischen Blick zu und putze mir die Nase. Wer weiß, ob der nicht die gleichen Hintergedanken hat wie Janni, denn seit ich auf seiner Couch gelandet bin, macht der Schmied gar keinen so unfreundlichen Eindruck mehr. Aber Champagner ist auf jeden Fall schon mal nicht schlecht.
Als meine Großeltern noch Vieh hatten und ich so klein war, dass ich unter dem Draht des Weidezauns durchschlüpfen konnte, habe ich manchmal trotzdem hingefasst, um kurz, nur ganz kurz, den Strom zu spüren, der den Kühen die feuchten Nasen verbritzelte, wenn sie ihm zu nahe kamen. Der Champagner aus dem Keller des Sterzinger-Hauses ist so kalt, dass er mir in der Nase und hinter der Stirn genauso kribbelt, und ich schütte mir gluckernd die Tasse wieder voll, weil er warm schließlich nicht mehr so schön elektrisch schmeckt.
Ich habe meine Füße neben Bastis auf eine umgedrehte Obstkiste
Weitere Kostenlose Bücher