Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
unglaubliche Fälle von Erbschleicherei gibt und dass jemand wie Frau Drechsel dringend davor geschützt werden muss.«
Eine korrupte Trulla wie die Federlein hätte normalerweise bei mir keinen Fuß auf den Boden bekommen, aber im Moment bin ich so müde, traurig und k.o., dass ich nicht mehr die Kraft habe, ihr den Marsch zu blasen. Zögernd schaue ich zur Tür. Mir fällt nichts mehr ein. Ich kann nicht mehr.
Aber dann rumpelt der Basti herein, ohne anzuklopfen, und würdigt mich und Anneliese keines Blickes.
»Bittschön, gnä Frau«, sagt er in astreinem Österreichisch, »ich bin fertig mit der Servicerunde.« Er wirft Frau von Federlein einen Schlüsselbund auf den Schreibtisch, den sie sofort wieder in ihrer Schreibtischschublade versenkt.
»Wenn Sie nur einmal schauen mögen, hinten an der Sterbestation, bei der Frau Drechsel, da fehlt ein Schild!«
Frau von Federlein verliert tatsächlich für einen klitzekleinen Augenblick die Fassung.
»Wir haben kein Schild an unserer Palliativstation, wir sind ja nicht verrückt!«, zischt sie, schlägt sich die Hand mit den perlmuttfarbenen Nägeln vor den Mund und wirft Anneliese und mir einen erschrockenen Blick zu. Der Basti verbeugt sich, und ich beneide ihn zum ersten Mal um diesen Bart, hinter dem man so gut seine Gefühle verstecken kann.
»Aber sicher, gnä Frau, ich hätt nur gedacht, mein Chef hätte mir gesagt, da wär ein Schild gewesen. Nächste Woche ist er wieder da, aber verstehens schon, dass auch ein Hausmeisterservice die Leute weiterbilden muss, ned wahr. Meine Verehrung, gnä Frau, und küss die Hand.«
Die Federlein versteckt in der Sekunde ihre Hand hinter dem Rücken.
»Ja ja, gehen Sie, Mann, gehen Sie! Alle zusammen – einen schönen Abend noch!«
»Wir sehen uns hinter dem Haus«, zischt Basti über seine Schulter, nachdem wir hintereinander das Gebäude verlassen haben, als hätten wir uns nie zuvor gesehen.
»Sechs, sieben, acht.«
Basti, der den Laster an der ersten Biegung abgestellt hat und mit uns die Fassade der Seniorenresidenz abgeht, bleibt am vorletzten Fenster stehen. »Hier muss ihr Zimmer sein!«
»Aber …«, meine ich und stelle mich auf die Zehenspitzen. »da kann ich nicht reinschauen.«
»Doch«, widerspricht mir Basti, stellt sich mit dem Rücken zur Wand und verschränkt die Hände vor dem Körper. »Räuberleiter.«
Ich steige mit der Gummistiefelspitze in seine Hände, und er wackelt keinen Millimeter, als ich mich auf seine Schultern stelle und versuche, durch die Lamellenvorhänge zu schauen.
»Ich sehe etwas …«, flüstere ich, und zwicke die Augen zusammen, um durch die Lücken des Vorhangs etwas erkennen zu können. »Jedenfalls glaube ich, dass ich sie sehe! O Gott, Basti, warst du im Zimmer? Bist du sicher, dass sie noch lebt?«
Basti lässt mich herunter und hebt die Lechner-Oma hoch, als wäre sie eine Handpuppe, damit auch sie ihre Freundin sehen kann.
»Ist sie das wirklich?«, frage ich erschrocken die Lechnerin, die nickt, und gemeinsam stehen wir in der Dunkelheit, die Füße knietief in einem zugeschneiten Blumenbeet, und sehen uns die Fotos von einem blassen Schatten mit spitzer Nase an, die Basti mit meinem Handy gemacht hat.
»Das ist ja kein Mensch mehr, das ist ein Vögelchen! Ein Vögelchen und ein paar Maschinen!«
Ich muss schlucken. Mit einem dermaßen dahinsiechenden Menschen hatte ich noch nie zu tun.
»Hat sie denn auf dich reagiert, Basti?«
»Nein«, antwortet der Schmied mit kratziger Stimme und rubbelt sich mit beiden Händen über das Gesicht, als wolle er etwas Unangenehmes wegwischen.
»Musst an die Erika denken, gell«, sagt die Lechner-Oma, die von uns allen am meisten Haltung bewahrt.
»Erika, das ist … war das deine …?«, frage ich vorsichtig, und fühle mich sehr unbehaglich. Basti bläst kurz die Backen auf und atmet lange aus, als wäre sogar ihm etwas zu schwer geworden. »Ja. Das war meine Mama«, antwortet er dann.
»Oh, das tut mir leid«, sage ich und stehe mit hängenden Armen dämlich herum, während dem sonst so unerschütterlichen Basti zwei Tränen in den Bart laufen.
»Wenn mir so bedreppst umeinanderstehen, das hilft keinem!«, schimpft die Lechner-Oma. »Schmied, du fahrst uns jetzt heim, und dann mach ich uns einen Nopi mit Honig. Wichtig ist erst einmal, dass noch schnauft, die Caro. Und wir können dem Herrgott danken, dass mir noch so umeinanderhupfen können auf unseren zwei Füß! Gemma, früher wird’s nicht! Und dann hocken
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