Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
sich neben mich, um das Foto von Tante Caro noch besser sehen zu können. »Soweit ich das beurteilen kann, hat Frau Drechsel erheblich an Gewicht verloren. Aber das Gerät, an dem sie angeschlossen ist, liefert zwar Sauerstoff, ist aber keine Beatmungsmaschine, sie kann also noch selbstständig atmen.«
»Aber sie hat nicht reagiert, als Basti in ihr Zimmer ist«, wende ich ein.
»Nun, sie wird wohl sehr schwach sein, aber natürlich auch sediert«, meint Helga und zeigt auf eine Medikamentenbox mit einer Reihe von einundzwanzig bunt gefüllten Fächern; morgens, mittags, abends, Montag bis Sonntag. »Ruhiggestellt, quasi.«
»Okay«, bedanke ich mich bei der Ärztin und schaue in die Runde, »ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht?«
»Eine gute!« Schwester Sebastiana steht in der Tür, einen schwarzen Anorak über der Tracht. »Schließlich ist sie am Leben!«
»Eine schlechte, leider«, widerspricht ihr die Ärztin. »Wenn man sich den Befund ansieht vom Krankenhaus Dritter Orden, dann sollte sie nach dem zweiten Infarkt durchaus in die Reha. Aber ein derartig rapider Abbau bis hin zur letzten Pflegestufe war nicht zu erwarten.«
Es herrscht ein kurzes betroffenes Schweigen, nur in dem großen Kachelofen knackt das Feuer.
»Heimweh«, meint Basti dann in die stille Runde.
Alle schauen ihn an, aber er sagt nichts weiter.
»Heimweh«, wiederhole ich leicht spöttisch, »das soll so krank machen?«
»Einen echten Insulaner schon.«
»Ach wo, das ist doch total kitschig, diese Vorstellung, das gibt’s doch nur bei Heidi. Wenn man will, kann man sich überall wohlfühlen. Meiner Meinung nach bekommt Tante Caro einfach die falschen Medikamente«, widerspreche ich ihm.
Schwester Sebastiana nickt Basti zu, zieht sich einen Stuhl her und setzt sich neben ihn. »Nun, ich muss dem Schmied schon recht geben. Heimweh und ein schlechtes Gewissen – das kann eine tödliche Mischung sein.«
»Aber, schlechtes Gewissen, wegen was denn?«, fragt die Kati.
»Deswegen«, meine ich und deute auf die Zettel, die Basti verteilt hat. Es sind Kopien der Hochglanzbroschüre, die ich heute der Frau Kommerzialrat entrissen habe. »Sie hat Doktor Bergmann ihr Haus überschrieben, dafür soll er im Alter für sie sorgen. Und der hat bereits heftige Umbaupläne für nach ihrem Tod. Eine Luxussanierung zur Hotelanlage.«
»Guter Gott, das ist ja monströs!«, meint die Helga und beugt sich vor.
»Das ist ja scheußlich!«, schreit auch die Kati. »Guckt mal, die Säulen! Und die Poolanlage! Mit dem Chiemsee vor der Tür!«
»Himmel, Arsch und Zwirn, is des greislig! Und wie soll das heißen? Sylt am See ? Um Gottes willen«, stimmt ihr Vater zu.
»Jessas, Maria und Josef, mit einem Leuchtturm! Stellt euch das mal vor auf einer Postkarte – rechts der Kirchturm, links der Leuchtturm!«
Sogar Schwester Sebastiana scheint kurz die Ruhe zu verlieren.
Nur die Emerenz hört gar nicht auf, die Broschüre zu studieren, und jubelt begeistert: »Schee! Mit zwei Nebengebäuden – des hätt dem Wiggerl gefallen! Und dass der Salzwasserpool einen Nichtschwimmerbereich hat, echt pfundig!«
»Emerenz«, schimpft die Lechner-Oma, »das ist total wurscht, ob der Pool einen Nichtschwimmerbereich hat oder nicht, darum geht es jetzt nicht, den brauchen wir soundso ned auf der Insel!«
»Sagst du!«, entgegnet die Emerenz spitz. »Ich mein ja bloß, wenn er nämlich einen Nichtschwimmerbereich hätte, dann könnt ich auch einmal ins Wasser, weil im See, da schwimm ich nicht, da sind schon zu viele tragische Unfälle passiert. Man weiß nie, was einen da in die Tiefe zieht!«
»Aber«, mischt sich jetzt der Boni ein, »das ist doch ein Schmarrn, Ludwig der Zweite ist doch im Starnberger See ertrunken.«
»See ist See«, meint die Emerenz düster und bekreuzigt sich.
Kurz bevor ich aus Verzweiflung mit dem Kopf auf die Tischkante knalle, weil es unmöglich zu sein scheint, diesen Haufen auch nur fünf Minuten bei der Sache zu halten, kommt ein nasser Setter hereingewedelt. Wir bekommen wieder Gesellschaft von David, in Begleitung zweier Herren, der eine in Lederhosen und einem buschigen grauschwarzen Schnurrbart im dunkelbraun gebrannten Gesicht, der andere hager, mit rotem Gesicht und ziemlichen Hängebacken.
»Zoran und Hans«, stellt er mir sie vor und gibt jedem von ihnen eine Kopie. Mit den zwei Wirten in der Runde bekommt das Treffen schlagartig mehr Zug.
»Der will, dass die alte Drechsel so schnell wie möglich
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