Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
mit doppelt Remoulade.
Danach fahren wir los, die Maximilianstraße hoch, am Bayerischen Landtag vorbei, halten in Bogenhausen an einer Apotheke, um einen Klosterfrau Melissengeist für die inzwischen leicht grünliche Anneliese zu kaufen, und cruisen einmal um die Stadt herum Richtung Salzburger Autobahn.
»Hast du eigentlich Musik in deinem Auto?«, frage ich und verdränge wiederholt den Gedanken, dass ich gerade in der Stadt war, ohne einmal in der Firma vorbeizuschauen.
»Schon«, meint Basti und schiebt eine Musikkassette ins Autoradio. Und noch vor Holzkirchen können wir alle die Best of Hans Söllner auswendig.
»Mei Voda hot an Marihuanabaum«, singen wir lauthals, als wir den Irschenberg mit strammen neunzig Kilometern pro Stunde hinaufdonnern. Und dann wird es der Lechner-Oma schlecht, und zwar ziemlich schlecht.
»Öha«, sagt sie und starrt auf die beachtliche Sauerei, »hab ich mir doch denkt, dass ich mir was eingfangt hab.«
In der Raststätte Irschenberg trennen sich unsere Wege, Basti geht ein Cockpitspray fürs Auto kaufen, und Anneliese und ich müssen in den Keller zu den Toiletten.
»Was, ein ganzes Markl für die Notdurft?«, wettert die von oben bis unten vollgekotzte Lechner-Oma, als wir vor den Schranken stehen, die uns vom Damenklo trennen.
»Passt scho, ich zahl das«, meine ich, immer noch die Hand vor Mund und Nase, und folge ihr durch die Sperre. Die Lechner-Oma ist total aus dem Häuschen, dass aus dem Seifenspender endlose Schaumwürste kommen, und während ich versuche, mein Kostüm und ihren Mantel mit Papierhandtüchern sauber zu bekommen, produziert sie laut kichernd Seifenspaghetti ohne Ende.
»Sauber seids, aber stinken tut ihr immer noch«, diagnostiziert Basti, als wir uns eine halbe Stunde später aus dem Keller hochschleppen, und geht mit uns noch einmal in den Souvenirshop, einkaufen. Zur Freude der Lechner-Oma können wir an der Kasse unsere SANIBÄR-Quittungen von der Klobenutzung mit den zwei knallroten FC-Bayern-Kapuzenpullis mit der Aufschrift »Mia san mia« verrechnen.
Es ist zwar erst Nachmittag, aber die Welt versinkt im Novemberzwielicht. Auf dem Weg zum Parkplatz ist der Asphalt nicht mehr dunkel vor Nässe, sondern vor Eis, und an uns fährt ein orangefarbener Kastenwagen mit der Aufschrift »Winterdienst« vorbei, Richtung Autobahnauffahrt. Mein Handy sagt mir, dass wir noch über eine Stunde Autofahrt vom Attersee entfernt sind, und mein Gefühl sagt mir, dass daraus leicht zwei werden können.
Inzwischen ist es durchaus so, dass ich gerne mal ein bisschen jammern würde, dass mir die kalten Füße saumäßig wehtun und es mir in der Blasen-und Nierengegend bereits verdächtig zwickt, und ich muss langsam zugeben, dass meine Stiefeletten nicht für einen Tag wie heute gemacht sind.
»Moment, ich habe etwas vergessen. Und wehe, du machst jetzt gleich irgendwelche Kommentare«, warne ich Basti und mache auf dem Absatz kehrt. Als ich fünf Minuten später wiederkomme, zieht er dennoch die Augenbrauen hoch, während er mit der Zunge am Papier einer Selbstgedrehten entlangfährt.
»Ist was?«, fauche ich ihn an, als ich in meinen neuen Gummistiefeln, blau-weiß und mit Logo von 1860 München, in den Laster steige. Gut, dass keiner sehen kann, dass ich in den Schuhen außerdem brandneue Manuel-Neuer-Torwartsocken trage.
»Ah wo, was soll sein?«, meint Basti und reibt auf der Beifahrerseite mit Spucke und seinem Pulliärmel den Dreck von der Scheibe, damit die Vignette für die österreichische Autobahn sichtbar wird.
Hans Söllner singt uns eins vom Punksein in München-Schwabing, aber die lustige Stimmung von vorher ist dahin, auch die Lechner Anneliese hält ihren Rosenkranz nur noch umklammert, anstatt weiter zu beten. Und als wir nach einer Weile den Chiemsee und mit ihm die Fraueninsel links liegen lassen, weil wir weiter müssen zum Attersee, finde ich es richtig schade.
»Sag mal, Basti, was ist eigentlich mit meiner Heizung? Geht die wieder?«, fällt mir ein, weil ich an Tante Caros Haus denken muss.
»Ich glaub ned, war ja keiner da.«
»Mist. Dann ist es sicher saukalt heute Nacht, bei dem Wintereinbruch.«
»Saukalt. Ganz sicher.«
»Was kostet denn so ein Ölbrenner?«
»Zwei-, dreitausend sicher.«
»Oh … Du, Basti?«
»Hm?«
»Meinst du, ich könnte heute noch einmal bei dir übernachten?«
»Mei.«
»Bei uns kannst auch übernachten«, ruft die Lechner-Oma. »Jederzeit!«
»Oh, danke. Das ist nett«, freue ich mich. Ist
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