Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
dass mei Gewitterkerzen ned ausgerechnet bei dir’s brennen anfängt!«
»Gewitterkerze?«, unterbreche ich. »Was ist denn das?«
»Mei, das ist eine geweihte Kerze gegen häusliche und sonstige Gewitter«, sagt die Anneliese mit einem eisigen Blick Richtung Emerenz und ploppt am Nebentisch eine Kerze aus ihrem Ständer, um sie durch ihre schwarze zu ersetzen, »weil man nie weiß, was für ein Unwetter aufzieht, wenn ein paar Insulaner miteinander was z’reden haben. Ned wahr, Emerenz?«
»Wieso? Da kann doch ich nix dafür, wenn manch einer die Wahrheit ned vertragt! Aber mich könnts nicht einsperren, so wieses mit dem Wiggerl gmacht haben, nur weil er seiner Zeit so voraus war!«
»Seiner Zeit voraus? Und was bist du? Du bist deiner Zeit hundertfuchzig Jahr hinterher, weilst immer mit deiner Hoheit daherkommst, wenn dir nix mehr einfällt, dabei bist genauso deppert wie er. Oder bringt des vielleicht irgendwem was, wennst bei mir ins Fenster schaugst? Hättst bei der Josepha die Handwerker reinlassen, dann hätt die wieder eine Heizung und müsst nicht bei der Leonie im Zimmer schlafen heute Nacht!«
Eigentlich rechne ich damit, dass die Emerenz jetzt gleich ein ganz schweres Geschütz auffährt, aber ihr Drang nach Neuigkeiten lässt sie tatsächlich die Majestätsbeleidigung vom depperten König überhören.
»Bei der Leonie schläfst du heut Nacht? Mei, da müssts ja ganz schön zsammrucken, gell? War des ned recht eng gestern?«
»Nein, das war nicht eng, weil gestern Nacht hat die Josepha nicht bei uns geschlafen.«
»Ah so? Wo war’s denn dann?«, fragt die Emerenz lauernd. Gott sei Dank kommt jetzt der David vom Hotel herein, küsst seine Kati, und zwar ziemlich lange und eindeutig mit Zunge, und auf einen Schlag verstummen die streitenden Damen und schauen den beiden unverhohlen beim Austausch von Zärtlichkeiten zu. Ich muss mich schon sehr täuschen, wenn die Emerenz sich dabei nicht die schmalen Lippen leckt. Dieser Schweizer scheint die komplette Damenwelt der Insel ziemlich gut im Griff zu haben.
Dann geht aber auch diesem Liebespaar einmal die Luft aus, und David grüßt in die Runde.
»Ich bring euch eine Runde Spritz aufs Haus und muss dann kurz weg, den Hans und den Zoran drüben abholen, die kommen heute Nacht aus dem Urlaub wieder.«
»Wer ist der Hans? Und wer der Zoran?«, frage ich.
»Dem Hans gehört das Hotel. Und dem Zoran unten die Wirtschaft am See.«
»Und die waren zusammen im Urlaub?«
»Um Gottes willen, nein, der Hans war in Ägypten und der Zoran daheim in Kroatien, aber immerhin setzen sie sich inzwischen miteinander in ein Boot, seitdem wir hier auf gehobene Vitalküche umgestellt haben und der Zoran weiter traditionell bayerisch kocht.«
»Ja genau, das hat der Wiggerl auch immer gesagt – jedem das Seine, und mir das Meine«, kichert die Emerenz und hat ihr Glas in Nullkommanix halb leer.
Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen aufgeregt, der Tag war lang, und trotzdem scheint er erst richtig loszugehen. Nicht nur, dass mich alle erwartungsvoll ansehen, jetzt ist auch noch der Basti hereingekommen mit einer Handvoll Kopien in der Hand, und ich weiß nicht, ob ich mich bei ihm bedanken soll, dass er mir geholfen hat bei der Vorbereitung dieser Besprechung. Ich entscheide mich dafür, nur unverbindlich in seine Richtung zu nicken, und nehme mir einfach eines der Weingläser mit dem orangefarbenen Zeugs drin. Die Emerenz schaut mich herausfordernd an.
»Das ist ein Winnetou Spritz, den gibt’s bloß bei uns. Da is fei kein Schampus drin, gell, bloß ein Weißwein und ein Aperol, des is doch für dich nicht fein genug, oder?«
»Nicht so wichtig«, meine ich, und es ist mir tatsächlich gerade egal, ob ich jetzt Champagner trinke oder nicht, vielleicht weil mir innen drin immer noch ganz eng ist vom Anblick des Häufleins Mensch, in das sich meine Tante verwandelt hat. Ich nehme einen großen Schluck, schmeckt wirklich einwandfrei, und Basti, der gerade von Platz zu Platz geht und die Kopien verteilt, hebt ganz kurz den Kopf und schaut zu mir rüber, bevor er sich ans Ende des Tisches setzt.
Es gibt einen ziemlichen Knall, als der Emerenz das Glas aus der Hand fällt und auf dem Holzboden zerschellt, denn sogar so eine hartgesottene Person wie sie hat wohl nicht damit gerechnet: mit dem überlebensgroß auf die Leinwand geworfenen Bild der Sterbepatientin Caroline Drechsel.
Bonis Freundin Helga Brüderle ist die Erste, die das Wort ergreift, und sie stellt
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