Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
wir uns zusammen, alle miteinander, und dann seng mas scho.«
»Das ist eine gute Idee«, meine ich, »wenn ihr mir die E-MailAdressen gebt, sag ich gleich allen Bescheid.«
»E-Mail?«, bleibt die Lechner-Oma stehen. »Ah geh, du meinst doch ned, dass sich ein Insulaner irgendwohin bewegt, auf so eine schwindlige E-Mail hin? Du rufst nur die Emerenz an, und der Rest erledigt sich von allein innerhalb einer halben Stund. Was meinst, warum die Emerenz so froh ist, dass du runterkommen bist aus deiner Stadt? Weil sich jetzt nämlich endlich was rührt, in der staaden Zeit.«
»Chach«, krächzt der Basti.
»Wie bitte?«, frage ich und hake mich bei ihm ein, als wir über eine kniehohe Buchsbaumhecke auf die Straße zurücksteigen, und er räuspert sich, als würde ihm eine Monstergräte querliegen.
»Ich auch«, wiederholt er dann und reicht der Lechner-Oma seinen zweiten Arm. »Bin ich. Also, froh. Dass du kommen bist, Sefferl.«
»Ich bin auch froh, dass ich hier bin«, höre ich mich sagen, und während die Joe aus München dem Sefferl ziemlich eindeutig einen Vogel zeigt, steige ich in den Laster, der sauer-schokoladig nach halb verdauten Mozartkugeln riecht.
Beim Abbiegen auf die Hauptstraße Richtung Autobahn bricht die hintere Achse auf der eisglatten Straße aus, und Basti beugt sich beim Fahren konzentriert vor. Wir schweigen, nur die Heizung röhrt auf vollen Touren wie ein Laubbläser. Während wir an Salzburg vorbei hinter dem Winterdienst nach Hause kriechen, versuche ich mich an einem Nickerchen, aber Tante Caros hohlwangiges Gesicht mit den geschlossenen Augen und der spitzen Nase reißt mich wie ein Geist aus meinem Schlaf, und so sehe ich einfach nur den Schneeflocken zu, wie sie auf der Scheibe zu kleinen Matschbomben detonieren.
Als wir nach einer Stunde Fahrt am Chiemseeufer stehen, hat jemand in der Zwischenzeit eine FROHE WEIHNACHTEN-Lichterkette am Dampfersteg aufgespannt. Und weil das absolut traumhaft aussieht mit dem ganzen Neuschnee und den Lichtern, saust es mir im Kopf wie früher als Kind, als ich noch geglaubt hatte, dass mir das Christkind bringen würde, was ich mir tatsächlich gewünscht hatte.
Neun Uhr abends, so viel habe ich schon kapiert, ist eine Zeit, in der sich der Durchschnittsinsulaner mit seinem letzten Bier bereits die nötige Bettschwere angeeignet hat. Ich rechne also eigentlich nicht damit, dass das in letzter Minute einberufene Krisenmeeting zu Tante Caro besonders viel Zulauf haben wird. Außer der Emerenz natürlich, die mich bereits am Insulanerstammtisch im Hotel zum See erwartet, in einer ätherischen Wolke aus Latschenkiefer und essigsaurer Tonerde.
»Ich hab mir den Buckel scho eigschmiert ghabt für auf d’Nacht«, begrüßt sie mich und fasst sich an den Ischias, »aber wenn es um ein Menschenleben geht, bin ich natürlich sofort zur Stelle, gell.«
Anstatt zu antworten, fahre ich den Beamer und den Laptop hoch, den uns Schwester Sebastiana zur Verfügung gestellt hat, und sofort ploppt mit einem vorwurfsvollen Dingeldong ein Fenster auf: » Missed calls von Superman 911«. Superman 911, das ist Oliver, und er hat im Laufe des Tages achtmal versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Und ich habe völlig vergessen, in der Firma Bescheid zu sagen, dass ich auch morgen nicht zurück in die Arbeit kommen werde.
Gott sei Dank klopft sich jetzt jemand die Schuhe an der Eingangstreppe ab, bevor ich weiter an Auto König denken kann. Boni kommt in einem alten Bundeswehrparka herein, an der Hand seine Helga in einem bordeauxrot wallenden Samtmantel, und dahinter Kati, die Sonnfischerin, in Jeans, Pulli und Ohrenklappenmütze.
»Die war bei uns im Schuppen«, ächzt der Boni und klappt an einer Leinwand herum, bevor er sie aufrollt, »weil mir haben früher immer einen Diaabend gemacht, nachdem wir in Südtirol gewesen sind, mit dem Bus.«
»Warum treffen wir uns eigentlich hier?«, fragt die Helga und reicht mir die Hand über den Tisch.
»Weil bei der Josepha die Heizung kaputt ist. Und bei der Annelies langt der Platz ned, und aufgräumt is aa ned«, übernimmt die Emerenz für mich das Wort.
»Was ist bei mir ned?«
»Aufgräumt! Jedenfalls war’s es ned, wie ich heut Mittag ins Fenster einigschaut hab.«
Die Lechner-Oma, gerade angekommen mit einer schmalen schwarzen Kerze in der Hand, bleibt vor dem Stammtisch stehen und stemmt die Arme in die Seiten, und man kann sehen, dass die Emerenz sie gerade auf das Übelste beleidigt hat.
»Du, pass auf,
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