Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
Technisches erklären. Die vier Grazien wiegen zusammen wahrscheinlich noch nicht einmal so viel wie er und sehen zu ihm auf, als wäre er der Weihnachtsmann persönlich. Was will denn der muffige Basti mit diesen Hühnern? Und kann es sein, dass sie ihm hinterhergucken wie einem aufregenden exotischen Tier, als er – natürlich in Clogs und Filzsocken – auf den Laster zuschlurft, nachdem ich zweimal laut und deutlich gehupt habe?
»Was wollten die denn von dir?«, frage ich, noch bevor ich unsere sensationellen Ermittlungsergebnisse an den Schmied bringe. Basti zuckt mit den Schultern und setzt sich auf den Fahrersitz.
»Ach, das waren bloß ein paar Studentinnen.«
Ich rutsche wieder in die Mitte und wische dabei einen ganzen Haufen Goldpapier mit dem Porträt vom Wolfgang Amadeus vom Sitz. Leonie kann von Glück sprechen, wenn ihr die Lechner-Oma auch nur eine einzige Mozartkugel übrig gelassen hat.
»Was hast du denn da gemacht, an der Uni? Ein Schneefanggitter hingeschweißt? Oder eine Dachrinne?«
»Mei, so ähnlich«, brummt Basti und biegt von der Schelling- in die Türkenstraße ein, obwohl die ganz eindeutig eine Einbahnstraße in die andere Richtung ist. Erkundigt sich der vielleicht mal, wie’s bei uns war?
»Bei uns ist es übrigens sensationell gut gelaufen. Wir wissen, wo Tante Caro ist. Am Attersee, in einem gehobenen Seniorenheim, das eines von den Renditeobjekten vom Bergmann ist.«
Basti ist anscheinend über unseren Erfolg so überrascht, dass er sämtliche Verkehrsregeln in der Münchner Innenstadt vergisst. Ich atme nervös aus, als Basti seelenruhig um einen hupenden BMW herumkurvt.
»Du darfst hier nicht durch, ab hier ist Fußgängerzone!«, quieke ich, als Basti am Odeonsplatz geradeaus weiterfährt. »Wo willst du denn hin? Anneliese, sag du doch auch mal was!«
»… voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen …«
Die Lechner-Oma ist wieder dazu übergegangen, himmlischen Beistand herbeizuflehen, aber ich bin mir nicht sicher, wie gut die Muttergottes mit der StVO vertraut ist, und kralle meine Hand in Bastis Oberschenkel. Er legt seine dicke Pranke beruhigend darauf.
»Ganz ruhig, des passt schon. Ich lad euch jetzt wohin ein, und ihr erzählts mir alles.«
»Aber«, meine ich überrascht, »du darfst da trotzdem nicht durch!«
»Mei, aber wenn wir jetzt beim Lodenfrey einen Bronzebrunnen richten müssten, was wär dann?«, fragt Basti und fährt den Handwerkerlaster im Schritttempo und mit Warnblinker seelenruhig an der Hypokunsthalle vorbei, über die Straßenbahnschienen der Maffeistraße, und bleibt vor der Schumann -Tagesbar stehen. Wir nehmen nebeneinander auf drei Barhockern an der Fensterfront zu den Fünf Höfen Platz. Links Basti, der menschliche Grizzly, bestehend aus Bauch, Leder, Filz und sehr viel Haaren, rechts die Lechner-Oma in Robbenfellstiefeln, Dutt und Trachtenstola. Und dazwischen ich.
»Zwölf Prozent Toprendite: Reich werden, wo andere sich zur Ruhe setzen. Seniorenstift Heiligenruh , Attersee«, liest Basti zwei Minuten später laut vor und haut die Broschüre auf den Tisch. »So eine Sauerei!«
»Wie weit ist der Attersee überhaupt? Ein paar Kilometer hinter Salzburg, oder?«, meine ich und tippe an meinem Handy herum. »Hier ist die Homepage. Sieht schon nobel aus, Leitung: Huberta von Federlein. An die müssen wir ran. Obwohl, anrufen nutzt doch nie was, wir müssen da hin. Wie spät ist es?«
»Vielleicht holen wir den Bergmann ein, der ist nämlich schon unterwegs zum Attersee«, meint die Lechner-Oma und wischt sich die Sahne ihrer heißen Schokolade von der Oberlippe.
»Der Bergmann ist nach Österreich gefahren? Woher weißt du das denn?«
»Mei«, sagt sie, »ich hab mir neue Mozartkugeln geholt, wie du in dem Café warst, weil du der Frau mit dem Ratz an der Leine hinterher bist. Und dann hab ich gehört, wie der Bergmann telefoniert hat. ›Schatz, ich kann nicht in die Oper, ich muss sofort zum Attersee, und es ist mir scheißegal, wer heute die Aida singt.‹ Genau das hat er gesagt.«
Sie stößt auf und packt mich am Unterarm.
»Könnts ihr mir ein Schnapserl bestellen? Gibt’s in dem Stüberl hier überhaupts an Nopi?«
Wir bestellen bei Charles Schumann persönlich einen Willi für die wirklich ziemlich blasse Anneliese, einen Champagner mit Holunderblüten für mich, eine Flasche Mineralwasser mit Zitrone für den Basti und Roastbeef mit Bratkartoffeln für uns alle, für die Lechner-Oma
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