Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
von dort aus sehen!«
»Jawoll!«, sagt die Emerenz zackig und bläst die Gewitterkerze aus. »Und jetzt bring ich dich zur Annelies, gell, weil im Schnee, da schaut alles ganz anders aus, ned dass dich verhudelst!«
Vor der Tür verabschieden wir uns. Die Laternen vor dem Hotel sind so ziemlich der letzte Lichtschein auf der Insel, aber er strahlt weit, weil alles weiß ist und der Schnee liegen bleibt, und es ist nasenspitzenzwickend kalt.
»Ich bring die Josepha schon, du kannst heimgehen, Emerenz«, meint Basti mit so fester Stimme, dass sich die alte Ratschen nichts mehr zu sagen traut und in die andere Richtung abdampft, hinter Helga und Bonifaz her.
»Also, alles in allem war das heute ein ergiebiger Tag«, meine ich und schaue zu Basti hoch.
»Mmh«, brummt er und hebt kaum seine Füße, während wir über die Gemeindewiese abkürzen. Er hat sein Styling zwar insofern den Witterungsbedingungen angepasst, als er ein zweites Paar Filzsocken angezogen hat, schlurft aber weiterhin in Clogs und Lederhosen durch den Schnee. Ich hingegen habe aus Erfahrung gelernt und trage weiter meine neuen Gummistiefel aus dem Fanshop am Irschenberg.
»Ist dir eigentlich nicht kalt?«
»Na, warum?«
»Ich mein nur, wegen deinen Holzschlappen. Die gehen irgendwie gar nicht.«
Basti sagt nichts, und ich komm mir auf einmal ein bisschen blöd vor mit dieser Bemerkung, nachdem es bei Tante Caro um Leben und Tod zu gehen scheint.
»Aber meine Stiefel haben dir ja heute früh auch nicht gefallen«, mache ich deswegen einen kleinen Rückzieher.
»Mhm«, meint Basti und kickt in den Schnee, dass es nur so staubt.
»Spielt ja auch keine Rolle«, rede ich weiter. »Wir wollen ja schließlich nichts voneinander.«
»Mhm.«
»Daran hat sich übrigens nichts geändert.«
»Hm?«
»Na, dass ich nichts von dir will. Daran hat sich nichts geändert.«
»Mhm. Bei mir auch ned.«
Das ärgert mich jetzt schon wieder ein bisschen, schließlich habe ich heute super performt, und wir haben bei dem Meeting genauso super zusammengearbeitet.
»Dann ist’s ja gut«, meine ich und bücke mich, um Basti zwei Handvoll Pulverschnee ins Gesicht zu schaufeln.
»Höö!«, beschwert er sich und schüttelt seinen Pelz.
»Hihi«, mache ich und schaufle noch mal.
Fünf Minuten später ist das Licht vor dem Hotel nicht mehr das einzige. Sich nachts um zwei mit großem Gejohle auf der Gemeindewiese gegenseitig mit Schnee einzuseifen ist anscheinend die beste Methode, herauszufinden, wie viele Menschen auf der Insel gerade zu Hause sind.
»Ich kann nicht mehr, ich habe zu viel Schnee im Rücken!«, schreie ich, und Basti packt mich an den Fußknöcheln, hält mich kopfüber und schwenkt mich hin und her wie ein Uhrenpendel, schüttelt mir den letzten Schnee aus dem Kragen und stellt mich wieder hin.
»Na warte!«, japse ich, hellwach vom Blut in meinem Kopf und den Nadelstichen, da wo der Schnee im Nacken und unter dem Hosenbund zu kleinen Bächen schmilzt. »Wegen dir muss ich jetzt noch nach Hause und mich umziehen!«
Basti wartet draußen, während ich mir trockene Sachen und ein Nachthemd hole. Tante Caros Haus ist kalt und stinkt nach Öl. Eigentlich wäre jetzt eine gute Gelegenheit, um Oliver in Los Angeles zu erreichen, aber ich entscheide mich dagegen. Hat er nicht selbst gesagt, ich soll mich nicht melden?
Der Blumenkasten vor dem Küchenfenster der Lechners ist mit Fichtenzweigen gefüllt, und als ich hineingreife, ertaste ich in der linken vorderen Ecke sofort etwas Kaltes, Metallisches. Ich halte den Schlüssel kurz in der Hand und schaue zu Basti zurück, der auf dem Weg steht, die Augen auf seinen Fußspitzen.
»Ach, das ist ja blöd«, sage ich dann laut und lege vorsichtig den Nadelzweig so über den Schlüssel, dass er nicht mehr zu sehen ist, »ich glaube, die Anneliese hat tatsächlich vergessen, mir den Schlüssel rauszulegen. Was machen wir denn jetzt?«
Basti sagt nichts, sondern studiert weiter seine schneeverkrusteten Socken.
»Du Basti?«
»Hm?«
»Nimmst du mich noch einmal mit zu dir nach Hause?«
»Freilich. Geh her da«, sagt der Schmied, hebt seinen rechten Arm, und ich schlüpfe darunter.
Die Winter in dem feuchten Gemäuer meines Truchtlachinger Elternhauses waren kalt und ungemütlich, und am schlimmsten waren die Sonntagmorgen, wenn meine Eltern den Ofen noch nicht geheizt hatten und stattdessen ihre eigenen lautstarken Aufwärmübungen praktizierten. Während sie sich abwechselnd stritten und
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