Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
bärbeißige Art, sich so einen Kopf zu machen wegen seiner verunglückten Freundin und sich klammheimlich doch immer um alles zu kümmern.
Das Traunsteiner Hell tut seine Wirkung, aber anstatt mich abzulenken, macht es mich eher hysterisch. Basti hatte recht – Alkohol ist anscheinend nichts, was sich mit Liebeskummer verträgt. Der nächste Schluck bleibt mir fast in der Kehle stecken, weil mir bewusst wird, was ich gerade gedacht habe. Stimmt das? Wäre ich gern diejenige, um die sich Basti so einen Kopf macht? Ich stehe energisch auf und stelle die Flasche in den Kühlschrank, denn das kann nicht so weitergehen. Joe Schlagbauer hatte noch nie Liebeskummer, und sie wird es auch nicht zulassen, dass sie jemals einen bekommt. Na bitte, jetzt habe ich den Salat, ich heule schon wieder. Das ist es doch, weshalb ich mit Oliver zusammen bin. Da geht einem gefühlsmäßig nichts im Weg um, was einen von der Arbeit abhält. Wahrscheinlich war ich insgeheim froh, dass es da eine Ehefrau gab, damit ich nicht das ganze Beziehungspaket abbekam, weil ich auch noch ein eigenes Leben haben wollte. Aber jetzt, auf dieser Insel, habe ich mich mal auf etwas anderes eingelassen, ein Experiment sozusagen. Und das ist, wenn man sich meinen jämmerlichen Zustand jetzt mal ansieht, saumäßig in die Hose gegangen. Ich muss wieder in mein altes Leben zurückfinden, ich will aufwachen und morgens schon wissen, wie ich mich den ganzen Tag fühlen werde, weil dieses Auf und Ab ein Ende haben wird. Sich morgens ständig zu sagen: So, das war’s jetzt aber, und dann abends doch wieder miteinander in der Kiste zu landen – was soll das für einen Sinn haben, außer mich nachhaltig durcheinanderzubringen? Insofern kann ich Oliver und seiner Tatklosigkeit dankbar sein, dass es jetzt mit einem Rumms tatsächlich vorbei ist (bei dem Gedanken muss ich mir eine Rolle Klopapier holen, weil ich so weine, dass ich gar nicht weiß, ob ich mir zuerst die Augen oder die Nase abwischen soll).
Das Alkovenbett ist wirklich wie eine Höhle. Ich hole mir aus der Truhe im Flur neue Bettwäsche und mache mir eine Wärmflasche als Basti-Ersatz. Ich werde dieses Projekt zu Ende bringen, so wie ich es von mir gewohnt bin. Melde dich erst wieder, wenn du wirklich was in der Hand hast, schärfe ich mir ein, Tante Caro braucht konkrete Hilfe gegen den Bergmann, keine heiße Luft. Auch wenn ich noch nicht weiß, wo ich den Hebel ansetzen kann, um Doktor Bergmann aus dem Vertrag mit meiner Tante zu kicken. Weil ich es trotzdem versuchen muss, habe ich mein Kostüm aus dem Koffer genommen, damit es sich bis morgen aushängt.
Ein König-Ludwig-Bildband aus Tante Caros Bücherregal muss als Bettlektüre herhalten, und ich schlage den Wälzer in der Mitte auf. Der Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee, zwei Meter länger als der in Versailles. Was hat den gspinnerten Ludwig eigentlich so am Sonnenkönig Louis XIV. fasziniert, dass er ihm alles nachbauen wollte? »Der Staat bin ich. L’état, c’est moi«, lese ich laut.
L’état, c’est moi?
C’est moi!
Ich springe aus dem Alkovenbett und durchwühle meine Laptoptasche. Ich habe sie tatsächlich eingesteckt, die zwei Gästebücher, und ich schlage das auf, bei dem nur die erste Seite beschrieben ist, die Übernachtung zu stolzen vier Mark.
Hier steht es: »L. Meicost«.
Ich küsse das muffig riechende Buch vor Begeisterung. Denn jetzt weiß ich, wie ich den Habersack vom Denkmalschutz packen kann.
Am nächsten Morgen gehe ich vor die Tür, auf die Stelzenveranda, und muss bei so viel unerwarteter Helligkeit zurück und meine Sonnenbrille holen.
Die Pfähle des Hauses und des Stegs davor haben allesamt kleine Ballettröckchen aus Eis, auf dem See ist der Schnee weit ins Wasser hinaus liegen geblieben, dort wo der See immer weiter zufriert und alles gleißt und glitzert. Es ist kein Wetter zum Trauertragen, und ich schmeiße mich in Windeseile in mein Kostüm und die Stiefeletten mit dem goldenen Reißverschluss und mache mich auf den Weg zum Landratsamt nach Rosenheim.
»Ein Anagramm?«, fragt mich Herr Habersack. »Meicost soll ein Anagramm sein von c’ést moi ?«
»Na klar. Ludwig der Zweite hat es als Inkognito verwendet. Und die anderen Leute in dem Gästebuch, Georg von Dollmann und Julius Hofmann, das waren die Baumeister. Der König war eindeutig auf der Fraueninsel, vielleicht um sich zu vergewissern, dass man von seinem Schloss auf der Nachbarinsel wirklich nichts sieht. Sie wissen doch, wie
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