Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
Josepha!«
Ich trete an ihr Bett und stoppe ein paar Tränen mit dem Ärmel meines FC-Bayern-Sweatshirts.
»Du musst dich nicht bedanken, ich hab das gar nicht verdient«, schluchze ich. »Ich will das hier erst so zu Ende bringen, dass du dir nie wieder Sorgen machen musst. Wirklich.«
»Dann bleib doch, Spatzl«, meint die Caro, »ich glaub dir.«
»Ich kann nicht«, meine ich und spüre einen fiesen Stich im Magen beim Gedanken, dem wütenden Schmied über den Weg zu laufen, »die sind alle zu bös auf mich. Ich muss das erst in Ordnung bringen.«
»Wo willst denn hin?«
»Ich nehme mir irgendwo auf dem Festland ein Hotelzimmer. Rosenheim. Traunstein. Oder ich geh zu meinen Eltern, das Haus steht sowieso leer.«
»Nach Truchtlaching gehst nicht, da warst schon als Kind immer so unglücklich, weil sich keiner gekümmert hat. Ich habe eine andere Idee.«
Tante Caro äugt nach Anneliese, die sich ans Spülbecken gestellt hat und viel zu laut mit ein paar Tellern scheppert, ganz klar unser Gespräch missbilligend.
»Warst du schon einmal bei mir im Keller?«
»Ja.«
»Da gehst jetzt hin, zu dem Stackelschlitten. Unter der Sitzfläche klebt ein Schlüssel. Den bringst du mir, und ich schreib dir derweil eine Adresse auf.«
Der Carrera hat Allradantrieb und schmiegt sich kurz darauf trotz Winterwetter auf die Straße wie festgesaugt. Das Navi führt mich über kleine Straßen entlang, rechts dann und wann ein paar Lichter einer Siedlung, links immer wieder tiefes Schwarz, der nächtliche Chiemsee. Prien, Bernau. Noch achtzehn Minuten, meldet mein Navi, ich muss abblenden, weil es anfängt zu schneien. Es geht unter der Autobahn durch, an einem Campingplatz vorbei, alles ist verlassen und winterlich. »Privat« steht auf der kleinen Tafel, die die letzte Abzweigung markiert, der Weg zwischen Weidezäunen hindurch ist schmal und nicht geräumt, und einige Male muss ich rasant Gas geben, damit das Auto nicht zwischen den Fahrrinnen aufsitzt. Ich fahre in einen kleinen Wald hinein, ich sehe nur Äste, die sich mir in den Weg strecken, aber dann lichten sich auf einmal die Bäume, es taucht aus dem Nichts eine Bucht auf. Und ein Haus. Verwittertes schwarzes Holz, geschlossene grüne Fensterläden vor kleinen, quadratischen Fensterchen. Mit der Rückseite steht es auf einem kleinen Strand, und nach vorn hin ist es auf Stelzen in den See hineingebaut.
Ich steige aus, der Untergrund ist gefrorener Sand und Kies, und gehe näher an das Haus heran. An der Seite führt eine kleine Treppe auf die Veranda zum Eingang. Rechts und links davon wieder kleine Fenster, zum See hin sind die Läden offen, Eisblumen an den Scheiben. Der Schlüssel ist warm, als ich ihn aus meiner Hosentasche ziehe, er passt in die rot lackierte Tür. Darüber hängt ein Schild, die weiße Schrift aus sorgfältig gemalten Großbuchstaben. Ich trete einen Schritt zurück, um besser lesen zu können.
DER SÜDEN steht darauf.
Ich starre ziemlich lange auf das Schild. Langsam ist mir klar, dass ich meine alte Patentante ziemlich falsch eingeschätzt habe.
Obwohl ich es selbst bin, die eine Zimmertür nach der anderen öffnet, das Licht anknipst, die karierten Vorhänge der Alkovenbetten zurückzieht und in die Schränke schaut, habe ich das Gefühl, in einem Film zu sein. Denn auf den ersten Blick wirkt »Der Süden« zwar wie ein romantisches kleines Ferienhaus mit fünf Gästezimmern, aber dann gibt es noch diese erstaunlichen Extras: Das erste Zimmer hat einen altmodischen Badezuber direkt vor dem Bett, zwei Kimonos im Schrank und an den Wänden japanische Tuschzeichnungen von Paaren, die sich in allen möglichen und unmöglichen Stellungen sehr intensiv, na ja, miteinander beschäftigen.
Vor dem Bett des nächsten Zimmers steht eine Art lederbezogene Turnbank, mit einem verwegen aussehenden Westernsattel darauf, Reitgerten an der Wand. Im nächsten eine Art Sprossenwand mit Lederschlaufen dran, im Schrank ein Gewirr aus schwarzen Riemen mit silbernen Ringen und Nieten, das man sich nur mithilfe einer anderen Person anziehen kann (das weiß ich deshalb, weil ich es natürlich anprobiere und mit gequetschtem Busen und abgeschnürten Oberschenkeln eine halbe Stunde brauche, um mich wieder zu entfesseln).
Die letzten zwei Zimmer sind zu einer kleinen Wohnung verbunden, der Vorhang des Bettes aus dem gleichen Stoff wie in Tante Caros Schlafzimmer im Seeblick , neben dem Bett Bücherregale und eine Schneiderpuppe in einem hochgeschlossenen
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