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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Sterbenswörtchen darüber verlauten zu lassen, um kein Risiko einzugehen. Denn es gab immerhin die Möglichkeit, daß Lizzie eines Tages etwas davon benötigen könnte.
    Annie, das war eine andere Geschichte. Sie würde für Lizzie ihr Leben lassen, aber sie hatte einen Hang zu ehrlichem, gerechtem Teilen und gedankenloser Anpassung an ihre Umgebung, was ihr ein Gefühl von Gemeinschaft verschaffte.
    Ich streckte mich. »Ich denke, das große Organisieren beim Distriktsleiter-Aaron-Simon-Samuelson-Warenversorgungszentrum kann ich mir einfach nicht entgehen lassen.«
    Annie kommentierte das mit einem säuerlichen Blick, ohne mich dabei anzusehen. Billy, der wußte, daß ich sowohl mit einem persönlichen Schild als auch mit einer Betäubungswaffe ausgerüstet war, sagte nichtsdestoweniger unfroh: »Geben Sie obacht, Frau Doktor.«
    Lizzie sprang auf. »Ich komme mit!«
    »Halt den Mund, Kind! Du gehst nirgendwohin, du, verstanden? Is’ gefährlich!« Annie, natürlich. Die ausgefallene Gravbahn raubte Lizzies im Raum stehender Drohung vorübergehend die Spitze: womit sollte sie weg von daheim?
    Lizzie preßte die Lippen so fest aufeinander, daß sie beinahe nicht mehr zu sehen waren. Noch nie zuvor hatte ich das bei ihr bemerkt. Aber sie war und blieb Annies Kind. »Doch, ich geh’!«
    »Nein, du kommst nicht mit«, sagte ich. »Es ist zu gefährlich. Ich werde dir nachher erzählen, was los war.« Murrend gab Lizzie auf.
    Annie dachte nicht daran, sich dankbar zu erweisen.
    Ein Haufen von etwa zwanzig Leuten hatte sich versammelt, um das Lagerhaus zu erstürmen, wobei sie ein Sofa als Rammbock verwendeten. Ich wußte, das war ein hoffnungsloses Unterfangen; hätte die Bastille einst aus SchaumStein bestanden, wäre Marie Antoinette in der Lage gewesen, auch weiterhin ihre Perücken zu tragen. Ich lungerte auf der anderen Straßenseite herum, wo ich gelegentlich an der türkisblauen Wand eines Wohnhauses lehnte und die Vorgänge verfolgte.
    Das Tor gab nach.
    Zwanzig Leute gaben einen kollektiven Aufschrei von sich und stürzten ins Gebäude. Dann gaben dieselben zwanzig Leute einen weiteren Aufschrei von sich, diesmal einen wütenden.
    Ich inspizierte bereits die Türangeln. Sie hatten aus Duragem bestanden, das der MolSpalter Atom für Atom zerlegt hatte.
    »Is’ überhaupt nichts da!«
    »Die haben uns reingelegt, die!«
    »Scheißkerle!«
    Ich lugte ins Innere des Lagerhauses und trat unauffällig ein. In dem kleinen Raum unmittelbar hinter der Tür befanden sich nur ein Pult und ein Terminal. Eine zweite Tür führte zum Lagerraum, der nichts als leere Regale enthielt – und leere Kisten, leere Stangen mit Haken daran, an denen Overalls und Vasen und Musikchips und Stühle und PutzRobs und Handwerkszeug hängen sollten. Ich spürte Gänsehaut vom Nacken bis zu den Beinen, einen echten Schauder aus Furcht und Faszination. Dann war es also wahr! Es stand wirklich so schlecht um die Wirtschaft, die politischen Strukturen, die Duragem-Krise! Zum erstenmal seit über hundert Jahren, seit Kenzo Yagai billige Energie erfunden und die Welt erneuert hatte, gab es nicht genug, als daß es für alle gereicht hätte. Die Politiker reservierten das Vorhandene für die Großstädte, wo das Wahlvolk dichter siedelte, und schrieben Gebiete ab, die dünner bevölkert und schwerer erreichbar waren. East Oleanta gehörte zu den letzteren.
    Niemand würde kommen und die Gravbahn reparieren.
    Der Mob heulte auf und fluchte. »Verdammte Macher-Schweine, die! Zur Hölle mit dem Pack!« Ich hörte, wie Regale von den Wänden gerissen wurden; vermutlich bestand ihre Befestigung aus Duragem-Schrauben.
    Rasch, aber ruhig ging ich wieder nach draußen. Zwanzig wütende Leute, die sich zusammenrotteten, waren immer gut für Ausschreitungen. Eine Betäubungspistole feuert bei jedem Schuß nur in eine Richtung, und ein persönlicher Schild ist zwar undurchdringlich, schützt den Träger jedoch nicht davor, an einem Ort ohne Essen und Wasser festgehalten zu werden.
    Das Hotel oder Annies Wohnung? Wofür ich mich auch entschied, es konnte sein, daß es sich für die nächste Zukunft um meinen ständigen Wohnsitz handeln würde…
    Das Hotel verfügte über ein vernetztes Terminal, das ich benutzen konnte, um Hilfe anzufordern, wenn ich den rechten Moment wählte. Annies Wohnung andererseits lag am Stadtrand, was mir plötzlich sicherer erschien als das Zentrum; außerdem gab es Nahrungsmittel, Türen, deren Angeln nicht aus Duragem

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