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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Verdes gesehen – oder sogar mehr als einen. Sie haben größere Köpfe als die normalen Leute und wenn sie reden, klingt es, als würden sie sich bemühen, langsam zu sprechen, was auch stimmt. Sie denken um so vieles schneller und komplizierter als wir – als Sie und ich, Billy –, daß sie Mühe haben, ihre Worte so einfach zu wählen, daß wir sie verstehen können. Sie haben einen gesehen, Billy, nicht wahr? Einen Mann oder eine Frau?«
    Er starrte mich an, ein dunkles, faltiges Gesicht, das sich gegen den grauen, weißbestaubten Wald abhob.
    »Wann war das, Billy? Im Sommer? Oder noch früher?«
    Er nahm alle Kraft zusammen für eine durchsichtige Lüge: »Hab nie keinen gesehen da.«
    Ich trat zu ihm und legte ihm die Hand schwer auf die Schulter. »O doch, haben Sie. Wann war das?«
    Er starrte auf den weiß angehauchten Waldboden, wütend, aber nicht willens oder nicht fähig, es zu zeigen.
    »Okay, Billy«, sagte ich seufzend. »Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, dann eben nicht. Und Sie haben recht – ich kann Ihnen nicht unbemerkt durch den Wald folgen, weil ich nicht weiß, wie man das macht. Außerdem ist mir kalt.«
    Er sagte immer noch nichts. Also stapfte ich zurück in die Stadt. Aber Lizzies Computer und Kristallbibliothek waren nicht die einzigen Dinge, die Darla Jones in New York erstanden hatte. Der Peilsender, den ich direkt unter der Schulter auf den Rücken seiner PlastiSynth-Jacke geklebt hatte, wo er ihn erst bemerken würde, wenn er die Jacke auszog, sandte mir einen reglosen Punkt auf den Handmonitor. Und eine ganze Stunde lang blieb der Punkt gleich reglos. Fror er denn nicht?
    Russell, der vor David und nach Anthony kam, hatte eine Theorie, betreffend Körpertemperaturen. Er behauptete, daß wir Macher, an umgehende Thermo-Regulierungen gewöhnt, wann immer unser Wohlbefinden im geringsten beeinträchtigt ist, die Fähigkeit verloren haben, leichte Fluktuationen der Körpertemperatur zu ignorieren. Von unserer Umgebung stets und ständig verhätschelt zu werden, hat uns verweichlicht. Russell betrachtete das als Positivum, weil es die Identifizierung der Erfolgreichen und der gentechnisch Hochgezüchteten (die natürlich ein und dieselben waren) sehr leicht machte. Man sieht jemanden einen Pullover überziehen, wenn die Temperatur um ein Grad absinkt, und man weiß, daß man es mit einem höherwertigen Wesen zu tun hat. Mir fehlte die Willenskraft, das unerwidert zu lassen; eine Art Prinzessin auf der Celsius-Erbse, sagte ich, aber subtile Formulierungen waren bei Russell vergeudet. Wir trennten uns kurz darauf, als ich ihm vorwarf, zu der lächerlich großen Zahl von bereits existierenden Sprossen auf der sozialen Stufenleiter künstlich noch weitere hinzuzuerfinden, worauf er mir vorwarf, auf die überragende GenMod-Logik seiner linken Gehirnhälfte neidisch zu sein. Das letzte, was ich von ihm hörte, war die Nachricht von seiner Aufstellung zur Wahl des Kongreßabgeordneten für San Diego, der Gegend, die vermutlich das monotonste Klima im ganzen Land besitzt.
    Vielleicht hatte Billy Washington ein Feuer gemacht; das würde der Monitor nicht zeigen. Erst nach einer weiteren Stunde, als ich bereits wieder in der Wärme meines Hotelzimmers in East Oleanta saß, begann sich der Billy-Punkt zu bewegen. Im Laufe des Tages marschierte er noch etliche Kilometer weit, in leicht zu bewältigenden Etappen und in verschiedene Richtungen – ein Mann, der nach etwas Ausschau hielt. Nicht ein einziges Mal verschwand der Punkt, was bedeutet hätte, daß Billy hinter einen Sicherheitsschild aus Y-Energie getreten wäre. So ging es drei Tage und Nächte weiter, und dann kam er nach Hause.
    Ich fand es verwunderlich, daß er mich nicht des Peilgerätes wegen zur Rede stellte. Entweder hatte er es auch nach dem Ausziehen seiner Jacke nicht bemerkt (was kaum anzunehmen war), oder er hatte es bemerkt, wußte aber nicht, was es war, und hatte sich entschlossen, keinen Gedanken daran zu verschwenden. Oder – und das fiel mir erst später ein – er hatte es zwar gesehen, aber angenommen, jemand anders als ich hätte es an seiner Jacke angebracht, während er schlief, und wollte, daß es dort blieb, wo es war. Jemand im Wald. Jemand, dem er gefällig sein wollte.
    Oder vielleicht war alles ganz anders. Was wußte ich schon davon, wie die Gedankengänge eines Nutzers abliefen? So gesehen – was wußte ich schon von den Gedankengängen irgendeines anderen Menschen? Würde jemand, der die Fähigkeit

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