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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Händen, die so bebten, daß er es nicht einmal schaffte, den Personenschild abzustellen –, da wurde mir klar, was für ein Dummkopf ich gewesen war, nicht früher die AEGS anzurufen.
    Aber es war nicht Billy, durch den es mir klar wurde. Es war – wieder einmal, wie immer – Lizzie.
    Ich wußte, daß Billy nicht schwer verletzt war, und vermutlich hätte ich mir mehr Gedanken um die anderen Nutzer machen sollen, besonders um die drei Toten. Tatsache war jedoch, daß ich es nicht tat. Meine Ansichten, Nutzer betreffend, hatten sich gewandelt, seit ich nach East Oleanta gekommen war, und besonders Jack Sawicki schien mir ein guter Mann zu sein. Aber es war eben so, daß es mir im tiefsten Inneren gleichgültig blieb, ob Nutzer-Rowdys andere Nutzer, die keine Rowdys waren, überfielen und sogar töteten oder nicht. Wir Macher hätten nie etwas anderes erwartet. Nutzer galten seit jeher als eine potentiell gefährliche Macht, die man mit ausreichend Brot und Spielen im Zaum hielt – und nun ging langsam das Brot aus, und die großen Tiere warfen die Karten hin. Die Zeit war reif für die Bastille…
    Nicht gleichgültig hingegen war mir – erstaunlicherweise – Lizzie. Und daß sie hungern mußte. Wenn ich die AEGS-Leute auf den Plan rief, würden sie sogleich heranstürmen, und East Oleanta wäre nicht mehr vernachlässigt und vergessen. Mit ihnen kämen Nahrungsmittel, Medikamente, funktionierende Transportmittel, kurz gesagt alles, von dem die Nutzer erwarteten, daß es durch die Arbeitsleistung anderer herangeschafft wurde. Was hieß, daß Annie und Lizzie zu essen bekämen.
    Anderseits mochte natürlich die Kongreßabgeordnete Janet Carol Land jeden Moment die Entsendung ihrer Flugzeugladungen von Lebensmitteln wiederaufnehmen. Oder die Gravbahn wurde repariert. Das war nichts Ungewöhnliches. Und wenn das geschah, dann wäre für mich die Chance dahin, mich mit Lorbeeren zu bedecken, indem ich der AEGS Miranda Sharifi mitsamt ihrer illegalen organischen Nanotechnik zu Füßen legte. Außerdem würde Eden, sobald ich die AEGS kontaktierte, mein Signal auffangen, und in diesem Fall wäre Miss Sharifi wohl längst über alle Berge, wenn die AEGS hier auftauchte.
    Während ich mich mit diesem dreischichtigen Dilemma aus Altruismus, Eitelkeit und der praktischen Seite des Unternehmens herumschlug, machte Lizzie daraus mit einem Schlag einen furchterregenden Scherbenhaufen.
    »Vicky, sieh dir das hier an!«
    »Was ist es denn?«
    »Schau’s dir an!«
    Wir saßen auf dem PlastiSynth-Sofa in Annies Wohnung. Annie war im Schlafzimmer und umsorgte Billy. Der MedRob hatte Platzwunden, Prellungen und Puls in Ordnung gebracht, und wahrscheinlich hätte er schlafen sollen – was ihm sicher nicht vergönnt war, weil Annie unablässig um ihn herumtanzte. Aber ich denke nicht, daß ihn das sehr störte. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen. Lizzie hielt ihr Terminal in der Hand und sah mit gerunzelter Stirn auf den Holoschirm. Billys jämmerlich zerquetschte Sandwiches hatten vorübergehend wieder Farbe in ihre schmalen Wangen gebracht.
    Auf dem Holoschirm war ein buntes Bild zu sehen. »Sehr hübsch. Was ist es?«
    »Ein Lederer-Wahrscheinlichkeitsmuster.«
    Aber natürlich, das war’s! Nun ja, es ist schon eine ganze Weile vergangen seit meiner Schulzeit… Um mein Gesicht zu wahren, kommentierte ich fachmännisch: »Die Wahrscheinlichkeit, daß das Eintreffen einer Variablen dem einer anderen chronologisch wesentlich vorangeht, beträgt achtundsiebzig Prozent.«
    »Ja«, sagte Lizzie fast unhörbar.
    »Welche sind also die Variablen?«
    Statt zu antworten, fragte Lizzie: »Erinnerst du dich an den ÄpfelschälRob, mit dem ich als Kind immer spielte?«
    Vor zwei Monaten. Aber verglichen mit den intellektuellen Weitsprüngen, die sie seither vollbracht hatte, kam ihr der letzte Sommer wahrscheinlich wie der Ausklang ihrer ein für alle Mal zu Ende gegangenen Kindheit vor.
    »Ich erinnere mich daran«, sagte ich und verkniff mir jedes Lächeln.
    »Der ist im Juni kaputtgegangen. Ich weiß es so genau, weil die Äpfel damals Kia Beauties waren.«
    GenMod-Äpfel reifen nach versetztem Zeitplan, um eine jahreszeitliche Abwechslung vorzutäuschen. »Und?« sagte ich.
    »Und die Gravbahn ist noch vorher kaputtgegangen. Im April, glaube ich. Und davor zwei der Toiletten.«
    Ich wußte nicht, worauf sie hinauswollte. »Und?« wiederholte ich.
    Lizzies kleines Gesichtchen verzog sich in Sorgenfalten. »Aber schon vor mehr

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