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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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als einem Jahr gingen die ersten Dinge in East Oleanta kaputt. Im Frühjahr 2113.«
    Jetzt wußte ich es. Mein Mund wurde ganz trocken. »Im Frühjahr 2113. Viele Dinge, Lizzie, die kaputtgingen? Oder nur ein paar, wie es eben so passiert, wenn normale Beanspruchung und nachlässige Wartung zusammentreffen?«
    »Viele Dinge. Viel zu viele Dinge!«
    »Lizzie«, sagte ich langsam, »sind diese beiden Variablen in deinem Lederer-Muster die Störfälle in East Oleanta, wie du persönlich sie im Gedächtnis hast, und die Berichte aus deiner Kristallbibliothek von ähnlichen Störfall-Gesetzmäßigkeiten anderswo?«
    »Ja, genau. Sin’ sie. Wollte mal…« Sie brach ab, weil sie merkte, wie sie in ihre frühere Ausdrucksweise zurückfiel, und starrte auf den Schirm. Sie wußte, was sie vor sich sah. »Es hat hier begonnen, Vicky, nicht wahr? Dieser Duragem-Spalter wurde hier zum erstenmal freigesetzt. Die Leute in Eden haben ihn gemacht. Wir waren das Testgebiet. Und das heißt, wer es auch ist, der hinter Eden steht…« Wieder verstummte sie.
    Huevos Verdes stand hinter Eden. Miranda Sharifi stand hinter Eden.
    Und so wurde mir die Entscheidung abgenommen – ganz einfach so. Der Duragem-Spalter hatte in irgendeiner obskuren Dianas-Selbstverwirklichung-durch-den-persönlichen-Erfolg-Strategie nichts zu suchen. Er stellte ein zu konkretes, dringendes und extrem bösartiges Problem dar. Ich hatte einfach kein Recht, herumzusitzen und Halbamateur-Agentin zu spielen, wenn ich befürchten mußte, daß sich irgendwo in diesen Bergen, die uns mit dem Winter so zusetzten, eine Huevos-Verdes-Filiale befand, die molekulare Zerstörung aussäte. Jedes Gefühl für Anständigkeit verlangte, daß ich meine hochmütigen Bosse ungeachtet ihres Hochmuts in Kenntnis setzte von dem, was ich wußte.
    Jeder hat seine eigene Definition von Anständigkeit.
    »Vicky«, flüsterte Lizzie, »was werden wir denn jetz’ tun?«
    »Wir werden aufgeben«, sagte ich.
     
    Den Anruf tätigte ich von einer abgeschiedenen Stelle am Fluß, weit weg von Annies mißtrauischen Augen. Ich hatte Lizzie zwar verboten, mir zu folgen, aber sie tat es natürlich trotzdem. Es war kalt, aber sonnig. Ich zwängte meinen Hintern in ein Schneeloch am Flußufer und schnitt mir den Sender aus dem Bein.
    Er war selbstverständlich ein Implantat, denn nur so konnte ich sichergehen, daß niemand ihn mir stehlen würde – es sei denn, jemand wußte genau, was er tat. Nachdem die AEGS ihn hatte einsetzen lassen, war ich auf direktem Weg zu einem Freund gegangen und hatte mir jenen klarerweise vorhandenen Teil davon, der das automatische Peilsignal aussandte, entfernen lassen. Dafür benötigte man einen Fachmann. Man benötigte ihn hingegen nicht, um den Sender selbst vor der Verwendung herauszuholen. Dazu brauchte man nichts als ein wenig Know-how, ein Lokalanästhetikum und ein Messer mit scharfer Klinge. Im Notfall konnte man entweder auf das Anästhetikum oder die scharfe Klinge verzichten.
    Das mußte ich aber nicht. Ich schob das Implantat unter der Haut meines Oberschenkels hervor, verschloß den kleinen Schnitt und wischte das Blut von der Umhüllung des Senders ab. Als ich die Hülle aufriß, hingen Lizzies riesengroße Augen an jeder meiner Bewegungen.
    »Ich sagte dir doch, du sollst nicht mitkommen«, sagte ich und lächelte schief. »Fällst du jetzt in Ohnmacht?«
    »Von ‘nem bißchen Blut falle ich nicht in Ohnmacht!«
    »Gut.« Der Sender lag auf meiner Handfläche wie eine kleine schwarze Waffel.
    Lizzie betrachtete ihn mit Interesse. »Funktioniert mit Malkovitch-Wellentransformern, nicht wahr?« Und dann, mit veränderter Stimme: »Du willst um Hilfe rufen, bei irgendeiner staatlichen Stelle, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Du hättest schon früher anrufen können?«
    »Ja.«
    Die schwarzen Augen starrten mich unverwandt an. »Warum hast du’s dann nicht getan?«
    »Die Lage war nicht verzweifelt genug.«
    Lizzie zog das in Erwägung. Aber unter der erstaunlichen Intelligenz und der entliehenen Ausdrucksweise und dem pseudotechnischen Wissen, das ich ihr beigebracht hatte, war sie ein Kind, immer noch und trotz allem. Außerdem hatte sie zwei schreckliche Wochen hinter sich. Unvermittelt begann sie, auf meinen Knien herumzutrommeln – weiche, wirkungslose Schläge mit kalten Händen in Fäustlingen. »Hättest uns früher schon Hilfe holen können, du! Un’ Billy, dem wär’ nichts passiert, un’ Mister Sawicki wär’ nich’ gestorben, un’ ich

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