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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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gebogen, bis sie brach. Dann hatte ich die Armstütze wieder aufgesetzt. Es hatte Tage gedauert, denn ich konnte nur die kurzen Momente nützen, wenn ich einen Grund fand, mich über die Armstütze zu beugen, um meine Tätigkeit vor Pet und den Monitoren zu verbergen. Und nun reichte die eine Sekunde, in der der scharfkantig abgebrochene Metallstab Pegs Bauchdecke durchstieß und tief eindrang.
    Sie schrie auf, griff nach dem Metallstab und sank vornüber auf die Knie, doch der Rollstuhl stoppte sie. Aber Peg war stark. Im nächsten Moment hatte sie sich das Metallstück aus dem Bauch gerissen, und das Blut strömte über das verbogene Gerüst des Rollstuhls, aber nicht soviel, wie ich gehofft hatte. Sie drehte sich herum, und da wußte ich, daß ich in allen meinen Stücken, in meiner ganzen Arbeit mit den Formen des Unterbewußtseins, nichts geschaffen hatte, was auch nur annähernd so wild und brutal war wie Pegs Gesichtsausdruck in diesem Augenblick.
    Aber sie war jetzt auf den Knien – und damit auf gleicher Höhe wie ich. Sie war stark und durchtrainiert und größer als ich, aber ich verfügte über künstlich intensivierte Muskeln, was ihr ihre Philosophie – oder, besser, Hubbleys Philosophie – nie gestatten würde. Und durchtrainiert war ich auch. Nach kurzem Ringen verklammerten wir uns ineinander, und ich bekam ihren Hals zu fassen und umschloß ihn mit den Fingern, für deren stählerne Kraft Leisha eine Menge Geld bezahlt hatte. Für den Fall, daß ich sie zum Ausgleich für meine körperliche Benachteiligung je benötigen würde.
    Peg versetzte mir ein paar grauenvolle Schläge, und der Schmerz explodierte in meinem Schädel wie ein überkochender Geyser, dessen Sprühregen auf das dunkle Gitter fiel. Aber ich ließ Pegs Hals nicht los. Der Schmerz betäubte uns wohl beide. Betäubte alles.
    Zum drittenmal verschwand das violette Gitterwerk. Ebenso wie alles andere rundum.
    Langsam ganz langsam, wurde mir wieder bewußt, daß die Dinge im Zimmer Formen hatten, eigene Formen, die außerhalb meines Kopfes existierten. Es waren massive, fest umrissene, reale Formen. Mein Körper besaß Form: meine Beine, die sich nutzlos unter mir krümmten, mein Kopf, der auf dem Rollstuhl lag, meine Hoden, in denen die nackte Pein jaulte. Meine Hände hatten eine Form: sie umklammerten unerbittlich um Pegs Hals. Ihr Gesicht war dunkelrot, und die Zunge steckte angeschwollen zwischen ihren Lippen. Sie war tot.
    Die Finger schmerzten mich, als ich sie öffnete.
    Ich sah Peg an. Noch nie zuvor hatte ich jemanden umgebracht, und so sah ich sie mir genau an, Zentimeter für Zentimeter. Das Spitzenrechteck mit der Botschaft darauf hielt sie immer noch zwischen den starren Fingern.
    So rasch es ging, stellte ich den Rollstuhl wieder gerade hin, befestigte die Polsterung der Armstütze und hievte meinen schmerzenden Leib hinein. Peg hatte eine Waffe in ihrem Overall; die nahm ich mit. Ich wußte nicht, wie raffiniert das Überwachungsprogramm des Zimmers war; Peg hatte vermutlich jederzeit Zutritt gehabt. War das Programm in der Lage, das, was es sah, zu interpretieren und soweit zu beurteilen, um einen Warnruf auszuschicken? Oder war dazu eine aktive Beobachtung durch Menschen notwendig? Wurde gerade jetzt aktiv beobachtet?
    Francis Marion, so hatte Hubbley mir verraten, war höchst gewissenhaft, was Patrouillen und Wachposten betraf.
    Ich öffnete die Tür und fuhr hinaus auf den Korridor. Die Räder hinterließen eine dünne Blutspur auf dem nanoperfekten Boden. Es gab nichts, was ich dagegen hätte tun können.
    Bei meinen vielen Rundfahrten durch die Bunkeranlage hatte ich genau registriert, wer durch welche Tür ging, und wer wo herauskam. Ich hatte den Leuten bei ihren Gesprächen zugehört und versucht, mir ein Bild zu machen, welche der Männer zu den verläßlichsten Gefolgsleuten Hubbleys zählten, und welche von ihnen klug genug für die Arbeit am Computer schienen. So hatte ich darauf geschlossen, hinter welchen Türen sich Terminals vermuten ließen.
    Niemand interessierte sich für mich, niemand kam mich holen. Fünf Minuten vergingen, nachdem ich mein Zimmer verlassen hatte. Acht Minuten. Zehn. Nirgendwo schrillten Alarmglocken. Irgend etwas stimmte nicht.
    Ich kam zu einer von jenen Türen, hinter denen ich ein Terminal vermutete; natürlich war sie verschlossen. Ich spielte die Überbrückungstricks durch, die Jonathan und Miranda mir beigebracht hatten – die Tricks, deren Wirkungsweise ich nicht

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