Bettler 02 - Bettler und Sucher
verstand –, und das Schloß begann zu leuchten. Ich öffnete die Tür.
Es war ein Lagerraum, in dem sich die kleinen grauen Behälter, von denen ich einen bereits kennengelernt hatte, bis zur Decke stapelten. Sie waren sämtlich unbeschriftet. Kein einziges Terminal befand sich in dem Raum.
Rasche Schritte näherten sich draußen auf dem Korridor. Ich schloß die Tür von innen. Die Schritte waren nicht mehr zu hören; der Raum war schalldicht. Als ich die Tür wieder einen Spalt breit aufmachte, kam Geschrei vom anderen Ende des Korridors.
»Wo is’ er, verdammt noch mal, wo is’ er?« Campbell, den ich zum erstenmal zusammenhängend reden hörte. Sie suchten nach mir. Aber das Überwachungsprogramm sollte ihnen doch überdeutlich zeigen, wo ich mich befand…
Eine andere Stimme, diesmal die einer Frau, sagte leise und schneidend: »Versuch’s doch mal mit Abbys Zimmer!«
»Abby! Scheiße, die gehört auch dazu! Sie un’ Joncey! Die haben schon den Terminalraum…«
Die Stimmen entfernten sich. Ich schloß die Tür wieder. Die Formen in meinem Kopf blähten sich plötzlich auf und verhinderten jeden klaren Gedanken. Ich zwang sie nieder. Das war es also; es hatte angefangen! Sie suchten nicht mich, sie suchten Hubbley! Die Revolution gegen die Revolution hatte begonnen.
Ich saß da und überlegte, so schnell ich konnte. Leisha.
Wenn nur Leisha da wäre…
Nein, Leisha war keine Ränkeschmiedin. Keine Mörderin. Sie hatte voll Zuversicht daran geglaubt, sich auf das verlassen zu können, was letzten Endes bei einem Zusammenprall zwischen Gut und Böse herauskommen mußte, hatte auf die grundlegenden Ähnlichkeiten zwischen den Menschen gebaut, auf ihre Fähigkeit, Kompromisse zu schließen und miteinander leben zu können. Menschen mochten zwar Grenzen und Gegengewichte brauchen, aber sie brauchten keine auferzwungenen Mächte, keine defensive Isolation, keine erdrückenden Vergeltungsmaßnahmen. Anders als Miranada baute Leisha auf die Rechtsstaatlichkeit. Und deshalb war sie tot.
Ich öffnete die Tür und fuhr mit meinem verbogenen Rollstuhl wieder hinaus auf den Gang. Die Polsterung der Armstütze fiel zu Boden. Mit gezogener Waffe blockierte ich den Korridor und wartete darauf, daß jemand um die Ecke bog. Schließlich kam jemand. Es war Joncey. Ich schoß ihm direkt zwischen die Beine.
Er brüllte auf und fiel gegen die Wand. Dies hier war eine weitaus blutigere Angelegenheit als mit Peg. Ich fuhr eilig hin und zog ihn mir auf den Schoß; dann hielt ich seine beiden Handgelenke mit einer Hand fest und die Waffe mit der anderen. Wieder kam ein Mann um die Ecke, Abigail im Schlepptau.
Sie gab einen sonderbaren Ton von sich, der fast so klang wie das Heulen des Windes. »Ooooohhhhh…«
»Keinen Schritt näher, sonst bringe ich ihn um. Er wird überleben, Abby, aber dafür braucht er medizinische Versorgung, und zwar bald. Aber wenn ihr nicht tut, was ich verlange, dann bringe ich ihn um. Auch wenn ihr eine Waffe zieht und mich erschießt, wird er zuerst sterben.«
Der Mann, der mit Abby gekommen war, rief ihr zu: »He, mach ihn kalt, den verdammten Krüppel, du!«
»Nein«, sagte Abby. Sie hatte ihre Selbstbeherrschung sofort wiedererlangt; ihre Augen zuckten von einer Seite zur anderen wie Hasen in der Falle, aber sie beherrschte sich. Sie war eine bessere Führernatur als die meisten anderen, vielleicht sogar besser als Hubbley. Aber ich hielt Joncey quer über meinen Knien fest, und für dieses Opfer reichte ihre Führernatur doch nicht aus.
»Was willst du, Arlen?« Sie leckte sich über die Lippen und sah zu, wie das Blut aus Jonceys Geschlecht rann. Er war bewußtlos, und ich schob ihn mir so zurecht, daß ich meine zweite Hand frei bekam.
»Ihr verschwindet von hier, nicht wahr? Alle von euch, die noch am Leben sind. Habt ihr Hubbley umgebracht?«
Sie nickte. Keine Sekunde lang ließ sie Joncey aus den Augen. Die fast vergessenen Schatten meiner Kindergebete schossen mir durch den Kopf. Bitte laß ihn noch nicht sterben! Ich sah die gleichen Schatten in Abbys Augen.
»Laßt mich hier«, sagte ich. »Ich verlange nicht mehr von euch. Laßt mich hier und am Leben. Früher oder später wird jemand kommen und mich holen.«
»Der ruft bestimmt um Hilfe, das wird er!« murrte Abbys Begleiter.
»Maul halten!« sagte Abby. »Du weißt genau, daß keiner die Terminals benutzen kann. Bloß Hubbley un’ Carlos un’ O’Dealian, un’ die sin’ alle ex.«
»Aber, Abby…«
»Halt’s
Weitere Kostenlose Bücher