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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Beinen auf; sie war unter den Sitzen hindurchgekrabbelt, durch all den Dreck und die verstreuten Essensreste und den übrigen Müll. Desdemona stemmte ihren kleinen Körper zwischen meinen Knien hoch und hielt sich mit einer schmierigen Hand am Sitz fest. Die andere Hand schoß auf mein Armband zu und packte es.
    Ich streifte es ab und gab es ihr wieder. Die ganze Vorderseite ihres Overalls war schmutzig. »Gibt’s keinen PutzRob auf diesem Zug?« fragte ich.
    Sie drückte das Armband an sich und grinste. »Is’ hinüber.«
    Ich lachte. Im nächsten Moment ging die Gravbahn kaputt.
    Ich wurde zu Boden geschleudert, wo ich auf Händen und Knien landete, hin und her schwankte und auf den Tod wartete. Unter mir kreischten Maschinen. Der Zug kam zuckend und ruckend zum Stehen, kippte aber nicht um.
    »Verdammt!« schrie Desdemonas Vater. »Nich’ schon wieder!«
    »Können wir jetz’ Eis kriegen?« quengelte eines der Kinder. »Is’ sowieso stehengeblieben, der Zug!«
    »Das dritte Mal, diese Woche! Scheiß-Macher-Zug!«
    »Nie kriegen wir kein Eis nich’!«
    Anscheinend kippten diese Züge nicht. Anscheinend würde ich nicht sterben. Anscheinend waren diese höllisch kreischenden Maschinen da unten normal. Ich trottete hinter allen anderen aus dem Zug.
    In eine andere Welt.
    Ein fiebriger Wind wehte über die Weite der Prärie: warm, wispernd, berauschend. Die Größe des Himmels überwältigte mich. Ein endloser strahlend blauer Himmel oben, endlose strahlend goldene Felder unten. Und all das gestreichelt von diesem körperwarmen Wind, durchflutet von Sonnenlicht, duftgeschwängert. Ich, eine Stadtliebhaberin, die es darin mit Sir Christopher Wren hätte aufnehmen können, hatte keine Ahnung gehabt; kein Holo hatte mich darauf vorbereitet. Ich mußte dem verrückten Impuls widerstehen, mir die Schuhe von den Füßen zu schleudern und die Zehen in die dunkle Erde zu bohren.
    Statt dessen folgte ich den murrenden Nutzern die Bahnstrecke entlang zum vorderen Ende des Zuges. Dort versammelten sich alle um die Holoprojektion eines Zugführers, obwohl ich hörte, daß seine aufgezeichnete Ansprache in jedem Abteil aus den Lautsprechern kam. Die Hologestalt ›stand‹ formatfüllend auf dem Gras und verströmte Autorität. Der Lizenzinhaber war ein Freund von mir; er glaubte an zwei Meter große dunkelhäutige Kleiderschränke als Idealverkörperung von Ordnungshütern.
    »Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Dies ist ein geringfügiges technisches Gebrechen. Bitte kehren Sie in die Bequemlichkeit und den Schutz Ihres Abteils zurück, wo Ihnen in einigen Minuten Gratisspeisen und -getränke serviert werden. Ein Wartungstechniker zur Behebung des Schadens ist bereits unterwegs. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung…«
    Desdemona gab dem Holo einen Tritt. Ihr Fuß ging glatt durch die Gestalt hindurch, und sie zog die Mundwinkel höhnisch nach unten zu einem sinnlosen, unverschämten Grinsen des Triumphs. Die Hologestalt blickte hinab. »Mach das nich’ noch mal, du, hörst du?« Desdemonas Augen wurden ganz groß, und sie verzog sich hinter die Beine ihrer Mutter.
    »Brauchst dich nich’ zu fürchten, du. Is’ doch bloß interaktiv«, zischte Mama Nutzer. »He, laß meine Beine los!«
    Ich zwinkerte Desdemona zu, die mich eine Sekunde lang mürrisch anstarrte, ehe sie grinste und mit dem Armband rasselte.
    »… in die Bequemlichkeit und den Schutz Ihres Abteils zurück, wo Ihnen in einigen Minuten Gratisspeisen und…«
    Immer mehr Leute kamen nach vorn, und alle bis auf zwei schimpften lautstark; eine der beiden war eine ältere Frau – hochgewachsen, unscheinbar und kantig wie ein Stahlgerüst. Sie trug keinen Overall, sondern ein langes glattes Kleid, gestrickt aus dünnem Garn in zarten, gedämpften Grüntönen; die Verarbeitung war zu ungleichmäßig, um von einer Maschine zu stammen. Ihre Ohrgehänge bestanden aus einfachen glänzendgrünen Steinen. Noch nie zuvor war mir ein Nutzer begegnet, der Geschmack hatte.
    Die zweite Person, die aus der Reihe tanzte, war ein kleiner junger Mann mit seidigem roten Haar, heller Haut und einem Kopf, der etwas zu groß schien für seinen Körper.
    In meinem Nacken kribbelte es.
    Im Innern der Waggons tauchten die ServierRobs aus ihren Depots auf und reichten Tabletts mit Snacks aus frisch hergestelltem SojSynth, verschiedenen Getränken und Sonnenschein in milder Dosierung. »Mit besten Empfehlungen von Senatorin Cecilia Elizabeth Dawes«, wiederholte der Rob immer

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