Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
wieder. »Sie dankt für Ihr Vertrauen.« Diese Ablenkung war gut für eine halbe Stunde, dann stiegen alle wieder aus und begannen erneut zu schimpfen.
    »Der Dienst am Wähler heutzutage…«
    »… wähl’ ich, nächstes Mal, ‘n andern. Egal wen, bloß irgendwen andern…«
    »… ein geringfügiges technisches Gebrechen. Bitte kehren Sie in die Bequemlichkeit und den Schutz Ihres…«
    Ich spazierte über das harte Gras zum Rand des nächsten Feldes. Der Schlaflose in unzureichender Verkleidung stand abseits; er beobachtete die Menge ebenso beiläufig und gleichgültig wie ich. Bisher schien er noch keine Notiz von mir genommen zu haben. Das Feld, zu dem ich ging, war von einem niedrigen Energiezaun umgeben, vermutlich, um die AgroRobs zusammenzuhalten. Sie wanderten gemächlich zwischen den Reihen goldgelben Getreides und taten ihre Arbeit, von der ich nichts verstand. Ich trat über den Zaun und hob einen auf. Er summte leise; an der Unterseite der dunklen Kugel mit flexiblen Tentakeln war ein Schildchen befestigt: CANCO ROBOTS: LOS ANGELES. CanCo war eine Woche zuvor durch die Schlagzeilen des Wall Street Journal Online gegangen; die Firma war in Schwierigkeiten, ihre AgroRobs überall im Land wiesen plötzlich zunehmend Pannen auf und gingen kaputt. Das Lizenzunternehmen war kurz vor dem Zusammenbruch.
    Verführerisch wiegte sich der Wind in den süßduftenden Halmen.
    Ich saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, den Rücken dem Energiezaun zugewandt. Rundum ließen sich die Erwachsenen zu Karten- oder Würfelspielen nieder, und die Kinder rannten brüllend durch die Gegend. Ein junges Pärchen kam an mir vorbei und verschwand im Feld, Sex in den Augen. Die ältere Frau in Grün saß allein da und las in einem Buch – in einem aktuellen Buch. Ich konnte mir nicht vorstellen, wo sie es herbekommen hatte. Und der großköpfige Schlaflose – wenn meine Vermutung stimmte – streckte sich auf der Erde aus, schloß die Augen und tat so, als würde er schlafen. Unwillkürlich verzog ich das Gesicht. Ironie um ihrer selbst willen war mir immer schon suspekt gewesen – zumindest bei anderen.
    Nach zwei Stunden brachten die ServierRobs wiederum Essen und Getränke aus dem Zug. »Mit besten Empfehlungen von Senatorin Cecilia Elizabeth Dawes. Sie dankt für Ihr Vertrauen.« Wieviel SojSynth wohl eine Nutzer-Gravbahn mitführte? Ich hatte keine Ahnung.
    Als die Sonne lange Schatten warf, schlenderte ich hinüber zu der lesenden Frau. »Gutes Buch?«
    Sie blickte hoch und musterte mich. Wenn Colin mich zu dem Wissenschaftsgericht in Washington schickte, so schickte er wahrscheinlich auch richtige Agenten. Und wenn Großkopf ein Schlafloser war, könnte er sogar seinen eigenen persönlichen Schatten haben. Dennoch, irgend etwas im Gesicht der lesenden Frau sagte mir klipp und klar, daß sie es nicht war. Sie hatte keine Genmodifikationen, aber daran lag es nicht. Man findet viele Macher-Familien, die sich standhaft weigern, ihren Kindern GenMods – selbst zulässige – ins Leben mitzugeben; der Zusammenhalt dieser Familien ist für gewöhnlich sehr groß, doch ansonsten existieren sie am Rand der Gesellschaft. Aber zu denen gehörte sie auch nicht. Sie war etwas anderes.
    »Es ist ein Roman«, sagte die Frau in indifferentem Tonfall. »Jane Austen. Überrascht es Sie, daß es immer noch Nutzer gibt, die lesen können? Oder wollen?«
    »Ja.« Ich lächelte verschwörerisch, aber sie bedachte mich nur mit einem kühlen Blick und kehrte zurück zu ihrem Buch. Eine abtrünnige Macherin entlockte ihr weder Entrüstung noch Verachtung noch Schmeicheleien. Ich interessierte sie einfach nicht. Unwillkürlich verspürte ich Respekt vor ihr.
    Offenbar wußte ich doch nicht soviel über die Verschiedenartigkeiten von Nutzern, wie ich gedacht hatte.
    Der Sonnenuntergang überwältigte mich. Der Himmel wurde hell und verwundbar, und dann zogen sanfte Farben in Streifen auf. Die Farben wurden immer aggressiver, um schließlich von fahlen Pastelltönen abgelöst zu werden. Dann wurde es kalt und dunkel. Eine ganze himmlische Liebesaffäre in dreißig Minuten. Claude-Eugene-Rex-Paul-Anthony-Russell-David.
    Kein Wartungstechniker erschien. Die Prärie kühlte rasch ab, und wir kletterten alle zurück in den Zug, in dem sich sogleich Licht und Heizung einschalteten. Ich fragte mich, was wohl geschehen wäre, wenn auch diese Systeme – oder die ServierRobs – zusammengebrochen wären.
    Jemand sagte, nicht laut und zu niemand

Weitere Kostenlose Bücher