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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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von Drew Arlen zu. Es blieb unverändert, fünf Meter hoch – ein gutaussehender gelähmter Mann in einem schwebenden, mit allen technischen Raffinessen ausgestatteten Rollstuhl, der freundlich auf seine Jünger hinablächelte. Die ihn umgebenden Formen waren verschwunden – es sei denn, sie blitzten nur so kurz auf, daß sie unter der bewußten Wahrnehmungsschwelle lagen, was eine Möglichkeit darstellte. Ein paar Nutzer streckten die Hände in das Holo und versuchten, etwas zu berühren, was substanzlos war. Desdemona tanzte im Innern der Pyramide und legte den Kopf auf die Decke über Arlens Knien.
    Unvermutet meinte Papa Nutzer: »Jede Wette, wir würden’s schaffen, zu Fuß in die nächste Stadt.«
    »Na ja …«, sagte ein anderer. Ein paar Stimmen fielen ein.
    »Wenn wir der Schiene folgen un’ alle schön beisammen bleiben…«
    »Seht mal nach, ob man die Lampen vom Dach holen kann…«
    »‘n paar von uns sollten dableiben, bei den alten Leuten.«
    Der Mann mit dem großen Kopf verfolgte das alles genau. In diesem Moment war ich mir sicher: Die ganze Gravbahn-Panne in diesem von aller guten Technik verlassenen Winkel des Landes war eine abgekartete Sache gewesen, um den Effekt von Arlens Darbietung abzuschätzen.
    Wie genau? Und von wem?
    Nein. Das waren nicht die richtigen Fragen. Die richtige Frage lautete: Was war der Effekt von Arlens Darbietung?
    »Du bleibst da, Eddie, mit den Alten. Du, Cassie, du sagst es den Leuten in den anderen Waggons. Hör dich um, wer von denen mit uns kommen will. Tasha…«
    Sie stritten zehn Minuten lang, nur um die Sache zu organisieren. Dann holten sie die Lampen, von denen sich herausgestellt hatte, daß es welche von der tragbaren Art waren, von den Waggondächern. Die Leute, die zurückblieben, gaben den anderen ihre Reservejacken mit. Die erste Gruppe machte sich gerade auf den Weg die Schiene entlang, als am Himmel ein Lichtstrahl erschien. Eine Sekunde später konnte ich das Flugzeug hören.
    Die Nutzer verstummten.
    Im Flugzeug saß ein einzelner Gravbahn-Techniker, flankiert von zwei SicherheitsRobs jener Sorte, die keinen Spaß verstand. Sie trugen Waffen, projizierten einen persönlichen Sicherheitsschild für den Techniker und fackelten nicht lange. Die Reisenden sahen schweigend zu, wie die drei aus dem Flugzeug stiegen. Das ebenmäßige GenMod-Gesicht des Techs sah gestresst aus. Aber Techniker sind bekanntermaßen ein gestresster Haufen: Genmodifizierungen für das Aussehen, aber ohne Steigerungen von IQ und Leistungsfähigkeit, welche die künftigen Eltern weitaus teurer zu stehen kämen. Diese Leute reparieren Maschinenparks, leiten Lagerhäuser und Ausgabestellen und beaufsichtigen Krankenpflege- oder KindergartenRobs. Techs sind keineswegs Nutzer, aber obwohl sie in den Enklaven leben, gehören sie auch nicht ganz zu den Machern. Und das wissen sie genau.
    »Meine Damen und Herren«, sagte der Tech; es klang nicht besonders glücklich. »Morrison-Gravbahnen und Senatorin Cecilia Elizabeth Dawes bitten Sie, die Verzögerung zu entschuldigen, mit der die Wiederinstandsetzung Ihres Zuges in Angriff genommen wird. Widrige Umstände, auf die wir keinen Einfluß hatten…«
    »Jajaja!« schrie ein Erbitterter, »un’ ich bin der Kaiser von China!«
    »Was wählen wir euch eigentlich, ihr Lumpengesindel!«
    »Kannst der Senatorin bestellen, da sin’ ihr ‘n paar Stimmen abhanden gekommen, hier aufm Zug!«
    »Die Dienstleistungen, wo uns zustehen…«
    Der Techniker marschierte zielstrebig zur Spitze des Zuges, die Augen gesenkt, die Robs an seiner Seite. Ich konnte flüchtig das Y-Energie-Feld schimmern sehen, als er an mir vorbeiging. Doch ein paar Nutzer – sechs oder sieben – starrten die Bahntrasse entlang, die sich in der windigen Finsternis verlor; ich hätte geschworen, daß in ihren Augen so etwas wie Bedauern glitzerte.
    Der Tech brauchte genau dreizehn Minuten, um den Schaden zu reparieren. Niemand belästigte ihn. Er ging zu seinem Flugzeug zurück, und die Gravbahn setzte sich in Bewegung. Die Nutzer griffen wieder zu den Würfelbechern, murrten vor sich hin, schliefen oder beschäftigten sich mit ihren quengeligen Kindern. Ich ging den ganzen Zug ab auf der Suche nach dem großköpfigen Mann; er war verschwunden, während ich die Reaktion der Nutzer auf den Macher-Tech verfolgte. Wir mußten ihn wohl in der schützenden Dunkelheit zurückgelassen haben auf der windigen Prärie.

 
    5
    Billy Washington:
    East Oleanta
     
    Alle heiligen

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