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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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meinen Rollstuhl schnell wieder zur Tür hinaus. »Sie zeigen mir da nichts, von dessen Existenz ich nicht bereits wüßte, gute Frau«, sagte ich barscher als gewollt. Die Sexsklaven bildeten gequetschte, qualvolle Formen in meinem Kopf. »Dieser Mist existiert seit Jahren, viel länger als Huevos Verdes. Und Huevos Verdes hat überhaupt nichts dagegen, wenn die AEGS dem ganzen Spuk ein Ende macht. Niemand, der recht bei Trost ist, kann dieser Sorte Gentechnik etwas abgewinnen.«
    Sie antwortete nicht, ging nur voraus zu einer anderen Tür.
    Diesmal waren es vier, mit den gleichen verträumten Mienen, in einem deutlich größeren Raum. Diese hier waren zwar nicht nackt, aber sie hatten ganz merkwürdige Kleider an: Overalls, sichtlich mit der Hand zusammengeflickt, um die überzähligen Gliedmaßen und Deformierungen aufzunehmen. Einer von ihnen hatte acht Arme, einer vier Beine, ein weibliches Wesen vier Paar Brüste. Nach seinem normalen Äußeren zu urteilen, mußte der vierte wohl überzählige innere Organe haben. Bauchspeicheldrüsen? Lebern? Herzen? Konnte man Gene so programmieren, daß sie mehrere Herzen entstehen ließen?
    »Für den Transplantationsmarkt«, erklärte Carmela. »Aber darüber wußten Sie gewiß auch schon Bescheid.«
    Wußte ich, aber das sagte ich nicht.
    »Diese Leute hier haben mehr Glück«, fuhr sie fort. »Wir können die überzähligen Gliedmaßen entfernen und ihnen zu halbwegs normalen Körpern verhelfen. Jessie hier ist auch schon für eine Operation am Dienstag eingeteilt.«
    Ich fragte nicht, wer von den Anwesenden Jessie war. Der Scotch gluckerte in meinem Magen; mir war übel.
    Die zwei Leute im nächsten Raum sahen ganz normal aus. Sie hatten Pyjamas an und schliefen in einem Bett mit hübschen Baumwollüberzügen.
    Carmelas Stimme klang nicht gedämpft, als sie weitersprach: »Sie schlafen nicht, Mister Arlen, sie stehen schwerstens unter Drogen, und das werden sie wohl für den Rest ihres Lebens bleiben; ein Entzug würde dauernde rasende Schmerzen hervorrufen, verursacht durch ein winziges genmodifiziertes Virus, dessen Ziel es ist, die Nervengewebe bis zu einem unerträglichen Grad zu stimulieren. Das Virus wird injiziert und vermehrt sich im Körper – vergleichbar mit dem Zellreiniger von Huevos Verdes. Die Qualen sind unvorstellbar, aber es kommt zu keinen effektiven Gewebeschädigungen, also könnten sie theoretisch jahrelang gleichbleibend andauern. Jahrzehntelang. Das Virus wurde für den internationalen Foltermarkt entworfen, und es sollte auch ein Gegenmittel entwickelt werden, das verabreicht werden konnte. Oder vorenthalten. Leider sind die Gentechniker, die hier arbeiteten, nur bis zu dem Nano-Folterinstrument gekommen. Bis zum Gegenmittel haben sie es nicht geschafft.«
    Eine der beiden betäubten Personen im Bett – jetzt sah ich, daß es sich um ein kaum der Pubertät entwachsenes Mädchen handelte – begann sich unruhig zu regen und stöhnte.
    »Träume«, sagte Carmela. »Wir wissen nicht, welcher Art. Wir wissen auch nicht, wer sie ist. Vielleicht eine Mexikanerin, entführt oder auf dem Schwarzmarkt eingekauft.«
    »Wenn Sie denken, daß die Forschungen bei Huevos Verdes in irgendeiner Weise mit…«
    »Nein, sind sie nicht, das wissen wir. Aber der…«
    »Bei allem, was bei Huevos Verdes auf dem Gebiet der Nanotechnik studiert und entwickelt wird, hat man einzig und allein den Nutzen für die Allgemeinheit im Sinn. Bei allem. Wie beim Zellreiniger.«
    »Das glaube ich Ihnen«, sagte Doktor Clemente-Rice. Sie bemühte sich um einen leisen, zurückhaltenden Tonfall. Ich spürte, wieviel Selbstbeherrschung sie das kostete. »Die Arbeitsweise der Nanogeräte von Huevos Verdes ist völlig anders. Aber die grundlegenden Erkenntnisse, die Theorien und ihre Verwirklichung, sind ähnlich. Nur ist Huevos Verdes viel rascher viel weiter gegangen. Doch andere könnten diese Lücke schließen, wenn ihnen zum Beispiel der Zellreiniger zum Zerlegen und Studieren zur Verfügung stünde.«
    Ich starrte das schlafende Mädchen an. Ihre Lider waren faltig; so hatten die Lider meiner Mutter gegen Ende ihres Lebens zu ausgesehen, als der Knochenkrebs schließlich Sieger blieb.
    »Ich habe genug gesehen«, sagte ich.
    »Noch eines, Mister Arlen. Bitte. Ich würde Sie nicht darum bitten, wenn es nicht so dringlich wäre.«
    Ich drehte meinen Rollstuhl so, daß ich sie ansehen konnte. Sie war eine Reihe scharfumrissener, heller Ovale in meinem Kopf, mit der gleichen

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