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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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sauberen Aufrichtigkeit wie Maleck und die AEGS-Agenten. Wahrscheinlich hatte man sie alle wegen ebendieser Eigenschaft ausgewählt. Und dann wurde mir plötzlich klar, an wen Carmela mich erinnerte: an Leisha Camden. Ein sonderbarer Schmerz durchfuhr mich, wie von einer sehr dünnen Lanze.
    Ich folgte ihr durch die letzte Tür des Korridors.
    In diesem Raum waren keine GenMod-Leute zu sehen. Drei Hochleistungsschilde von der Sorte, die bis auf Radioaktivität alles abhalten konnte, schimmerten vom Boden bis zur Decke. Dahinter wuchs hohes Gras.
    »Sie sagten, daß Huevos Verdes sich nur mit GenMods und Nanotechnik beschäftigt, die im Interesse der Allgemeinheit liegen«, sagte Carmela leise. »Das traf auch auf dies hier zu. Es wurde von einem Dritte-Welt-Land in Auftrag gegeben, das unter verheerenden, immer wiederkehrenden Hungersnöten litt. Die Grashalme sind eßbar. Zum Unterschied von den meisten anderen Pflanzen bestehen die Zellwände dieser Halme jedoch nicht aus Zellulose, sondern aus einer gentechnisch geschaffenen Substanz, die der menschliche Körper in Monosaccharide umwandeln kann. Außerdem ist das Gras erstaunlich widerstandsfähig und schnellwachsend, verbreitet sich durch Samen selbst und ist dafür geschaffen, auch noch mageren Böden Nährstoffe und trockenen Wasser zu entziehen. Die Genetiker, die es entwickelt haben, schätzten, daß es das Sechsfache des Nahrungsmittelertrages der jetzigen Hochleistungslandwirtschaft liefern kann.«
    »Nahrungsmittel«, wiederholte ich wie vor den Kopf geschlagen, »Nahrungsmittel…«
    »Wir haben es in einer kontrollierten und abgeschirmten zwanzig Hektar großen Ökosphäre aus fünfzig ökologisch unterschiedlichen Zonen angepflanzt«, fuhr Carmela fort, die Hände in den Taschen ihres Labormantels vergraben, »und innerhalb von drei Monaten hatte es jede andere Pflanze in der Ökosphäre ausgerottet. Das Gras ist so hervorragend für den Überlebenskampf gerüstet, daß alles andere gezwungenermaßen unterliegen muß. Menschen und manche Säugetiere können es verdauen; andere Tiere nicht. Alle anderen Pflanzenfresser verhungerten, darunter so viele Insektenlarven, daß die Insektenpopulationen verschwanden. Amphibien, Reptilien und Vögel folgten. Dann starben auch die fleischfressenden Säugetiere aus. Unsere Computer haben hochgerechnet, daß – die richtigen Windbedingungen vorausgesetzt – nach achtzehn Monaten dieses Gras das einzige Leben auf dieser Erde sein würde, wenn man von ein paar wirklich alten, großen Bäumen mit ausgedehnten Wurzelsystemen absieht, die zum Sterben etwas länger brauchen.«
    Leise raschelte das Gras hinter dem Dreifachschild. Ich spürte etwas auf meinen Schultern. Carmelas Finger. Sie drehte meinen Rollstuhl so, daß sie mir ins Gesicht sehen konnte, und hob danach sofort die Hände.
    »Verstehen Sie mich recht, Mister Arlen, wir halten Huevos Verdes und seine Absichten nicht für böse. Wir wissen, daß Miss Sharifi und ihre superschlaflosen Kollegen nicht nur an das Gute glauben, das in ihren Forschungsarbeiten liegt, sondern auch an das Gute in uns allen. Sie glaubt daran, daß die Vereinigten Staaten, wie sie von der Verfassung charakterisiert werden, das bestmögliche politische Arrangement in einer unvollkommenen Welt darstellen. Sie glaubt daran, genau wie Leisha Camden vor ihr. Ich war immer eine große Bewunderin von Miss Camden. Aber die Verfassung funktioniert nur deshalb, weil darin so viele Kontrollmechanismen und Gegengewichte eingebaut sind, die die Macht im Zaum halten.«
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Darin lag nicht die geringste Spur von Sinnlichkeit; sie war so todernst, daß ich spürte, wie starr und angespannt ihr ganzer Körper war.
    »Kontrollen und Gegengewichte, um die Macht zu beschränken. Ja. Aber es gibt keine Kontrolle über Huevos Verdes. Es existiert auch kein Gegengewicht, weil der Rest der Menschheit einfach nicht imstande ist, das zu vollbringen, was die SuperSchlaflosen können. Wenn sie es uns nicht vorzeigen. Dann könnten vielleicht einige von uns die Technik kopieren und adaptieren. Einige von uns – wie zum Beispiel die Leute, die hier arbeiteten.«
    Ich sagte nichts. Das tödliche, nahrhafte Gras wisperte.
    »Ich kann nicht sagen, was Sie jetzt denken, Mister Arlen. Und ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie denken sollen. Aber ich – wir – wollten, daß Sie alle Seiten der Situation kennenlernen, und wir hoffen, daß Sie darüber nachdenken und mit Huevos

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