Bettler 02 - Bettler und Sucher
Annie, die wollte erst gar nich’, daß sie wiederkam, un’ dann wollte sie lieber doch. War ja doch ‘n Doktor, die Turner. Lizzie schlief ganz friedlich, sogar von der Tür aus konnte man sehen, daß sie nich’ mehr so glühte.
Als die Frau Doktor Turner weg war, sahen wir uns an, Annie un’ ich. Un’ dann fiel ihr Gesicht auseinander. Kippte einfach um von festem Fleisch mit ‘n paar Sorgenfalten drin zu ‘ner Masse von Furchen, wo nichts miteinander zu tun hatten; un’ dann fing sie an zu weinen. Un’ noch eh’ ich mich’s versah, hatte ich die Arme um sie gelegt. Annie quetschte sich ganz fest an mich, un’ wie ich ihren großen weichen Busen an meiner Brust spüre, wird mir ganz schwindlig. Konnte keinen klaren Gedanken nich’ mehr fassen. Hob ihr Kinn hoch un’ küßte sie.
Un’ Annie Francy küßte mich zurück.
Un’ nich’ etwa den Quatsch für’n ›väterlichen Freund‹. Sie plärrte un’ deutete auf Lizzie un’ küßte mich mit ihren weichen Beerenlippen und drückte mir ihre Brüste entgegen. Annie Francy. Mein Verstand funktionierte einfach nich’ mehr, un’ ich küßte sie wiederum, un’ dann war’s, als hätten wir uns grade eben kennengelernt un’ nich’ schon vor langer Zeit, un’ als war’ ich nich’ achtundsechzig un’ Annie fünfunddreißig, un’ als würd’ nich’ alles zusammenbrechen un’ ganz East Oleanta auseinanderfallen. Annie Francy küßte mich, als wär’ ich ‘n junger Spund – un’ der war ich auch! Strich mit den Händen über ihren Körper un’ führte sie ins Schlafzimmer un’ schloß die Tür, weil Lizzie schlief wie ‘n Engel. Annie, die lachte und weinte, wie’s die Frauen eben so machen, aber das hatte ich beinah schon vergessen, un’ dann legte sie ihren prachtvollen Leib aufs Bett zu mir, als wär’ ich auch fünfunddreißig.
Annie Francy.
Wär’ diese Macher-Ärztin jetz’ zurückgekommen un’ hätt’ mich gefragt, wo Eden is’, dann hätte ich’s ihr auf der Stelle zeigen können. In diesem Zimmer. Auf diesem Bett. Mit Annie Francy. Hier.
Schliefen bis zum Morgen, wir beide. Ich wachte eher auf als Annie. Das Licht im Zimmer war grau, hellgrau. Lange Zeit saß ich bloß da, hockte aufm Bettrand un’ betrachtete Annie. Da wußte ich schon, das war ‘ne Einmalsache. Konnte es fühlen, schon bevor sie abends eingeschlafen war, in dem kurzen Moment, als wir uns hinterher aneinander festhielten, da konnte ich es spüren. In ihrem Armen, an ihrem Atem, an der Art, wie sie den Hals hielt. Un’ ich hätte bloß die Worte gebraucht, um ihr zu sagen, daß das schon seine Ordnung so hatte. Daß es mehr gewesen war, als ich je erwartet hätte, un’ bloß weniger als erträumt. Aber das wollte ich ihr nich’ sagen. Man träumt immer noch von mehr. Aber Annie, die wachte nich’ auf, un’ so ging ich raus, um nach Lizzie zu sehen. Saß im Bett un’ sah benebelt drein. »Billy, ich hab Hunger.«
»Das is’n gutes Zeichen, Lizzie. Was möchtest’n essen, hm?«
»Irgendwas Warmes. Mir is’ kalt. Irgendwas Warmes aus der Cafeteria.« Sie klang quengelig un’ roch ganz fürchterlich, aber das machte mir nichts aus. War so froh, daß sie sich wieder kühl anfühlte, wo sie bloß erst gestern so gefiebert hatte. Die Macher-Doktorin war wirklich genauso gut wie der MedRob.
»Du, weck deine Mutter nich’ auf, hörst du? Bleib bloß sitzen da, bis ich mit dem Essen zurück bin. Wo is’ dein Essenchip, Lizzie?«
»Weiß ich doch nich’. Bin hungrig, Billy.«
War wohl Annie gewesen, die ihren Essenchip genommen hatte. Aber ich konnte auf meinen noch genug kriegen. Esse nich’ mehr soviel wie früher, un’ heut’ morgen kam’s mir vor, als könnte ich von Luft leben.
In der Cafeteria war keiner nich’, bloß die Frau Doktor Turner. Saß dort un’ aß ihr Frühstück un’ sah sich ‘ne Macher-Sendung auf ‘nem Holokanal an. Sah müde aus, die Frau.
»Früh auf, wie?« sagte ich. Holte mir ‘ne Tasse Kaffee un’‘n Brötchen, un’ für Lizzie ‘n paar Eier un’ Saft un’ Milch un’ noch ‘n Brötchen. Wir konnten die Eier daheim in der Y-Energie-Einheit aufwärmen, Annie un’ ich.
Setzte mich zu Doktor Turner, bloß für ‘ne Minute, grade damit’s nich’ so unfreundlich aussah. Oder vielleicht wollte ich bloß erst nachdenken, was ich zu Annie sagen sollte. Die Frau Doktor starrte auf den Eierteller, als wär’s ‘n halb verwestes Murmeltier. »Können Sie so etwas wirklich essen,
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